LEIPZIGER BUCHMESSE: Faserland Weitblick
LEIPZIGER BUCHMESSE Die Nacht der Trennung ist nie schön. Eine solche Nacht steht der Erzählerin in Martina Hefters Roman „Zurück auf Los“ bevor, dem zweiten nach ihrem Debüt „Junge Hunde“.
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LEIPZIGER BUCHMESSE Die Nacht der Trennung ist nie schön. Eine solche Nacht steht der Erzählerin in Martina Hefters Roman „Zurück auf Los“ bevor, dem zweiten nach ihrem Debüt „Junge Hunde“. Um nicht Zeugin sein zu müssen, wie ihr Freund seine Sachen packt, verbringt die Erzählerin die Nacht als Aushilfe im Alpenhotel ihrer Mutter. Aus der erhofften Ablenkung wird nichts, viel zu wenig Gäste kommen diese Nacht in das Hotel. Genug Zeit also, in einem sentimentalen Gedankenstrom zu versinken. Die Erzählerin wirft „Erinnerungsnetze“ aus. Das klingt banal und ist es leider auch. Die Erzählerin schwärmt in ihrem inneren Monolog zwar viel von „Satzplüschen“ und „Gedankennylons“, von „Fasern“, die sie überall findet, sei es in der Erinnerung an die Zelte im mecklenburgischen Quasow. Aber das kann nicht wirklich davon ablenken, dass sie nichts anderes tut, als zeitlich und räumlich weit auseinander liegende Geschichten zusammenzudenken. U.B. Martina Hefter: Zurück auf Los. Roman. Wallstein Verlag, Göttingen. 132 Seiten, 16 €. Das „schöne“ Fernsehen? Wer Fernsehen schaut, liest eh keine Bücher, denkt man. Iso Camartin, bis vor kurzem Leiter der Kulturabteilung beim Schweizer Fernsehen DRS und zuvor viele Jahre Professor für rätoromanische Literatur in Zürich, macht beides und hat ein Büchlein über seine Erfahrung mit dem Medium geschrieben. Schöne Idee – launig umgesetzt. Es braucht einige Seiten, bis man ahnt, worauf er hinaus will. Camartin reiht Geschichten aus Literatur, Philosophie und Musik aneinander. Zitiert die üblichen Verdächtigen der Medienkritik. Adorno oder Enzensberger mit seiner Diagnose vom Nullmedium Fernsehen. Dann aber wird die Bücherkiste ausgepackt. Tizian, Dante, Ovid, Kafka, Benjamin, Nietzsche. Das ist alles recht klug und erhellend, manchmal auch angestrengt. Beispiel Teiresias. Der Mann hatte ein kühnes Urteil über Naheliegendes gesprochen und war dafür mit Blindheit geschlagen worden. Zum Trost hat ihm Zeus die Gabe des Fern-Sehens gegeben. Camartin: „Hier liegt das Geheimnis: Fernsehen ist gerechte Entschädigung für das verbotene Aufdecken des Naheliegenden. Darum wollen so viele zum Fernsehen.“ Markus Ehrenberg Iso Camartin: Belvedere. Das schöne Fernsehen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., 153 Seiten, 16,90 €.
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