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Brandenburg: „Fast wie bei Dornröschen“

Valentine Siemon will aus dem maroden Schloss Neudeck ein Hotel machen. Unterstützt wird sie dabei von Berliner Bau-Azubis

Von Matthias Matern

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Neudeck - Seit Montag sind Andreas Bathe und Friedrich Arnold in Neudeck (Elbe-Elster). Zusammen mit vier weiteren Berliner Lehrlingen arbeiten die beiden Azubis an der maroden Schlossterrasse. In den ersten Tagen haben sie die alten DDR-Gehwegplatten rausgerissen und den brüchigen Mörtel darunter mühsam entfernt. Gerade machen sie sich in brütender Hitze daran, den rissigen Putz von den Mauern der barocken Treppe zu schlagen. Der 17-jährige Arnold aus Berlin-Pankow ist begeistert. „Wann hat man schon mal die Gelegenheit, an einem 800 Jahre alten Schloss zu arbeiten“, sagt er und lässt den schweren Hammer gegen die Wand donnern. Zum Ende der Woche wollen die sechs die Terrasse so weit vorbereitet haben, dass am Montag die Stuckateur-Azubis mit dem Ausbessern der Ballustrade beginnen können.

Ins ferne Südbrandenburg hat die Berliner die Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg geschickt. Mit den Lehrlingen des verbandseigenen Berufsförderungswerks will die Fachgemeinschaft einen Beitrag zur Sanierung der Anlage liefern, ihren Azubis gleichzeitig die Gelegenheit bieten „über den Tellerrand der eigenen Ausbildung hinauszuschauen“. „Sie schaffen hier etwas von bleibendem Wert und helfen dabei, eines der bedeutendsten Kultur- und Baudenkmäler Brandenburgs wieder zum Leben zu erwecken“, sagt Reinhold Dellman, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft.

Schlossherrin Valentine Siemon ist dankbar für die Hilfe. Seit 2010 ist die Prignitzerin Vorstandsvorsitzende des Fördervereins Schloss Neudeck. 2008 hat sie mit ihrem Mann die Anlage erstmals besucht und sofort gespürt: „Das ist ein Schloss, in das man sich einfach verliebt.“ Damals sei allerdings mehr oder weniger alles zugewachsen gewesen, „beinahe verwunschen“. „Wie ein Dornröschenschloss. Nur dass bei Dornröschen nach 100 Jahren Schlaf wieder alles in Ordnung ist“, sagt die 57-Jährige.

In Schloss Neudeck ist noch längst nicht alles in Ordnung. Auch wenn es wohl keine 100 Jahre dauern dürfte, zumindest im Handumdrehen oder per Zauberspruch ist dort nichts zu machen. Im Gegenteil: Bisher seien vor allem Sicherungsarbeiten durchgeführt worden, der Schwamm beseitigt worden und „unheimliche Mengen Dreck rausgeschleppt“ worden, erzählt die Chefin des Fördervereins. Siemons Ziel: „Das wunderbare Areal erhalten und betreiben. Wir wollen, dass aus Schloss Neudeck ein Hotel wird“, berichtet die Vereinsvorsitzende. Die Sanierungskosten samt Hotelumbau schätzt Siemon auf neun Millionen Euro. Unterstützt wird der Wiederaufbau unter anderem aus Mitteln des Denkmalschutz-Sonderprogramms des Bundes. Urkundlich das erste Mal erwähnt wurde Neudeck 1212. Damals war der Quelle zufolge der aus dem Niederrheinischen stammende Ritter Thietholdus de Nidecke Eigentümer des Ritterguts. Im 14. Jahrhundert gaben die Herrn von Neudeck ihren Sitz auf. 1474 wurde ein gewisser Herr von Rabiel Herr der Anlage. „Bis 1842 saßen dort Angehörige der bedeutendsten und einflussreichsten Adelsfamilien in Sachsen und Preußen. Danach gelangte Neudeck durch verkauf in bürgerliche Hände“, berichtet die Kunsthistorikerin Silke Kreibich, die über Neudeck für den „Freundeskreis Schlösser und Gärten der Mark“ eine umfangreiches Heft geschrieben hat. Nach der Wende wurde Schloss Neudeck bis 1999 als Fortbildungsstätte der Landespolizeischule Brandenburg genutzt. 2002 kaufte ein privater Investor das Schloss, weckte Hoffnungen mit angeblichen Plänen für eine Beautyfarm, ließ Neudeck aber verkommen. 2008 wurde der Verkauf vom Land rückgängig gemacht und Valentine Siemon trat auf den Plan.

Der Kontakt zur Fachgemeinschaft Bau ist über ihren Ehemann entstanden, der „lange Geschäftsführer einer Landeseinrichtung“ gewesen sei, erzählt die engagierte Schlossretterin. Eingefädelt hat den Arbeitseinsatz der Azubis Dellmanns Vorgänger, Wolf Burkhard Wenkel. Künftig soll auf diese Weise jedes Jahr die eine oder andere Maßnahme umgesetzt werden. „Keine Riesensachen, aber immer ein bisschen“, verspricht Dellmann.

Andreas Bathe und Friedrich Arnold zumindest macht die Arbeit Spaß und die Rahmenbedingungen stimmen auch. Übernachtet wird in einer Pension im rund 30 Kilometer entfernten Uebigau-Wahrenbrück – mit Pool und Sauna. „Ist fast ein bisschen wie auf Klassenfahrt“, findet Arnold. Der 22-jährige Bathe nickt. Beide müssen schmunzeln. Dann greift der Jüngere wieder zu seinem schweren Hammer. „Los Dicker“, feuert ihn Bathe an.

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