zum Hauptinhalt

Von Alexander Fröhlich: Fehlende Sorgfalt

Der Landtag ist beim Verkauf der Krampnitz-Kasernen getäuscht worden, das Finanzministerium hat bei der Kontrolle ganz bewusst versagt. Das belegt der Bericht des Landesrechungshofes

Stand:

Potsdam - Es ist ein Bericht über das Versagen des Finanzministeriums, der reichlich Stoff für die Staatsanwaltschaft Potsdam bietet. Denn noch haben die Ermittler nicht entschieden, ob sie ein offizielles Verfahren einleiten. Allein das Urteil des Landesrechnungshofes zum Verkauf des landeseigenen Kasernengeländes in Potsdam-Krampnitz ist für das Finanzministerium verheerend – es hat eklatante Fehler und gravierende Versäumnisse begangen. Den auf Druck der Landtagsopposition eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Affäre um den Immobiliendeal und um die Privatisierung der einst landeseigenen Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG), dürfte der mehr als 40 Seiten lange Bericht daher besonders interessieren. Der bestätigt nämlich PNN-Recherchen, wonach der Landtag beim Verkauf des 112 Hektar großen Areals getäuscht wurde. Damit gerät auch der damals als Finanzminister zuständige und jüngst als Innenminister zurückgetretene SPD–Politiker Rainer Speer wegen seiner Beziehung zu den Eigentümern der BBG in Erklärungsnot.

Das Finanzministerium hätte nach Ansicht des Rechnungshofs wegen der besonderen „landespolitischen Bedeutung“ sein „Prüfungs- und Kontrollrecht mit besonderer Sorgfalt wahrnehmen müssen“, tat dies aber „nur unzureichend“, was dem Ministerium sogar „bewusst war“. Im Interesse des Landes wäre es aber die Pflicht des Ministeriums gewesen, die Angaben der mit der Verwertung von früheren Militärflächen der Sowjets betraute BBG „kritisch zu hinterfragen“, zumal die „Darstellungen der BBG offenkundig widersprüchlich und lückenhaft waren“. Das betrifft die Ermittlung des Verkehrswertes, die Identität des Käufers und dessen Bonität.

Das 112-Hektar-Areal war 2007 für 4,1 Millionen an ein Firmengeflecht rund um die TG Potsdam des Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx verkauft worden – mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Landtags und offenbar weit unter Wert. Denn das Land hätte 10 Millionen Euro mehr einnehmen können. Zu diesem Ergebnis kommen die Rechnungsprüfer nach Einsicht in das Gutachten, dass 2006 für die Nutzung des Geländes als Fußball-Themenpark ohne erhebliche Wohnbauten erstellt worden war. Das Angebot des Investors für einen „Country-Club Krampnitz“ sah dagegen ein „Wohnensemble für Neubürger der Stadt Potsdam vor“. Aus Sicht des Rechnungshofes wäre wegen „erheblicher bewertungsrelevanter Unterschiede“ ein neues Gutachten fällig gewesen, zumal eine nach dem Geschäft erstellte Expertise einen Wert von 25 Millionen Euro ermittelt hatte.

Völlig unerklärlich ist auch weiterhin, warum das Ministerium den Hannoveraner Anwalt Böx glauben konnte, hinter der TG Potsdam stehe die dänische Thylander-Gruppe. Denn das von Böx aufgesetzte Angebot ohne Unterschrift war lediglich mit dem „Thylander“-Schriftzug versehen – offenbar ein Trick wie aus einem Fernsehkrimi, der aber den Betrugsverdacht erhärtet. Denn den Rechnungsprüfern erscheint der Schriftzug „im Vergleich zum übrigen Text wie aus einer anderen Quelle ausgeschnitten und eingefügt“. In den BBG-Akten ist zudem vermerkt, dass die Angebotseröffnung für den Verkauf des Geländes und der Bieterschluss auf denselben Tag fiel, wobei der Landesrechnungshof an der Richtigkeit der Unterlagen erhebliche Zweifel hat. Hätten das Finanzministerium und die BBG die Angaben geprüft, hätten „sie festgestellt, dass die TG Potsdam Entwicklungsgesellschaft mbH zu diesem Zeitpunkt als solche gar nicht existierte“, heißt es im Prüfbericht.

Stattdessen hat die BBG den Kaufvertrag eigens auf die Böx-Firmen zugeschnitten und damit die üblichen, mit dem Land abgestimmten Verfahren umgangen. Aus Sicht des Rechnungshofes ist die „Abweichung vom Musterkaufvertrag mit erheblichen zusätzlichen Risiken für das Land verbunden“, besonders was die Zahlung des Kaufpreis betrifft. Selbst die sonst üblichen Klausel fehlt im Vertrag, wonach die Käufer keinen Anspruch darauf haben, dass das Land dem Weiterverkauf zustimmen muss. Für den Rechnungshof dagegen steht der Vertrag sogar im Widerspruch zur Verwertungsrichtlinie des Landes, weil auch die Aussicht auf einen „50-prozentigen Anteil an einem Spekulationsgwinn immer noch einen ausreichenden Anreiz für Spekulations- und Vorratsverkäufe“ bietet.

Grundlage für die Entscheidung des Haushaltsausschusses für den Verkauf war ein Papier der BBG, wonach die Verträge den Musterverträgen der BBG und den Gesetzesvorgaben entsprechen. Dem Landesrechungshof aber ist „nicht bekannt“, weshalb das Finanzministerium „unterzutreffende Angaben in die Entscheidungsvorlage“ an den Ausschuss aufgenommen hat. Die Prüfer konnten nicht einmal den Ablauf des Geschäfts in den Akten des Ministeriums „vollständig nachvollziehen“. Unterlagen zur Bewertung der Kaufangebote fehlten völlig.

Verantwortlich war damals als Finanzminister Rainer Speer. Er hatte 2006 auch die Privatisierung der im Fall Krampnitz außer Kontrolle geratenen BBG vorangetrieben. Gekauft hatte die Landesfirma – damals ebenso unter Wert – Frank Marczinek, mit dem Speer heute im Vorstand des Fußballdrittligisten SV Babelsberg 03 sitzt.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer sieht durch den Bericht des Rechnungshofes die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses bestätigt. „Das ist ein wichtiger Baustein für die Aufklärungsarbeit, die jetzt zügig kommen muss.“ Nach ihrer Privatisierung lege die BBG kein seriösen Geschäftsgebahren an den Tag. Grüne-Fraktionschef Axel Vogel sagte, der Bericht belege ein Versagen der Kontrollmechanismen beim Verkauf von Landesflächen durch die BBG. „Aber das Ende der Fahnenstange ist offenbar noch nicht erreicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })