
© Kitty Kleist-Heinrich
Von Matthias Matern: Finanzchaos verunsichert Wirtschaft
Bauindustrie, kommunale Spitzenverbände und Ingenieure fordern endlich Klarheit über Haushaltssperre
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Potsdam - Auch wenn sich der wirtschaftliche Schaden aus der fragwürdigen Haushaltssperre bislang nur schwer in Zahlen fassen lässt, so hat Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) eines garantiert geschafft: Verwirrung gestiftet. Nicht nur bei Haushaltsexperten nahezu aller Fraktionen und Ministerien, sondern auch in der brandenburgischen Bauwirtschaft und bei den kommunalen Spitzenverbänden. Und das könnte ernste Folgen haben. „Das Unwissen ist schädlich, weil unsere Firmen ihre Kapazitäten planen müssen“, sagte etwa Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg am gestrigen Donnerstag.
Noch am Mittwoch versuchte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), wie berichtet, die Auswirkungen des Finanzchaos kleinzureden. Die Folgen seien „wesentlich geringfügiger als behauptet“, meinte der Regierungschef. „Wenn Platzeck der Meinung ist, das Stoppen von als sicher geglaubten Projekten sei eine Marginalie“, konterte gestern der Generalsekretär der brandenburgischen CDU und Vize-Fraktionschef im Landtag, Dieter Dombrowski. Noch seien die Schäden aus der fragwürdigen Haushaltssperre gar nicht voll absehbar. Im Kreis Havelland zum Beispiel seien bereits eine ganze Reihe von Investitionen privater Träger in die touristische Infrastruktur gestoppt worden, weil das Land die Kofinanzierung der EU-Mittel für ländliche Entwicklung blockiert habe.
Vom Förderstopp betroffen seien aber auch Maßnahmen zum weiteren Ausbau der Breitband-Versorgung oder beim Stadtumbau, berichtete gestern der Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher. „Etwa zwei Drittel aller Aufträge der öffentlichen Hand werden von den Kommunen vergeben“, so Böttcher. Doch ohne die nötige Sicherheit bei der Finanzierung gibt es auch keine Aufträge für die regionale Wirtschaft. Alarm schlug deshalb gestern auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Der Appell von Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) an den Bund, die Mittel für den Stadtumbau nicht zu kürzen sei zwar begrüßenswert, doch müsse die Landesregierung auch ihre eigenen „Schulaufgaben“ machen, forderte BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern. „Die Haushaltssperre ist Gift für den Stadtumbau.“
Erste finanzielle Auswirkungen spüren bereits die Ingenieure im Land. Insbesondere im Straßenbau. Viele traf die Entscheidung mitten bei der Arbeit an bereits als sicher verbuchten Projekten. „Den Büros wurden vom Landesbetrieb Straßenwesen Vertragsänderungen zugeschickt, so dass laufende Projekte erst 2011 abgerechnet werden können“, berichtete gestern Renate Kaula, Vorsitzende des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der Beratenden Ingenieure (VBI). Die Büros bräuchten aber das Geld, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen, so Kaula. Mit Entlassungen sei zu rechnen, rund 20 Prozent der Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Wieland Sommer, Präsident der Brandenburgischen Ingenieurkammer, rechnet sogar mit umfangreicheren Folgen in den kommenden zwei Jahren. „Ein Haushaltsstopp ist für uns ein Auftragsstopp“, sagte Sommer gestern. Einige Projekte für das kommende Jahr seien sogar schon komplett abgesagt worden.
Dabei gilt das Straßennetz im Land bereits als chronisch unterversorgt. Wie viele Projekte insgesamt von der Haushaltssperre betroffen sind, weiß im Land derzeit wohl keiner. Auf eine kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dierk Homeyer von Anfang Juli heißt es in der Antwort des Infrastrukturministeriums, die Prüfungen seien noch nicht abgeschlossen. Auch im Landesbetrieb Straßenwesen ist man nicht schlauer. „Sicher“ seien nur Vorhaben, die schon gebaut würden, bestätigte gestern Landesbetriebs-Sprecherin Cornelia Mitschka. Wie hoch denn die Summe der gesperrten Mittel für den Straßenbau sei, wisse sie auch nicht. „Man fragt einmal nach und bekommt drei verschiedene Zahlen.“
Am 18. August bekommt Finanzminister Markov eine neue Gelegenheit seine Rechenkünste zu erklären. Dann kommt der Landtags-Ausschuss für Haushalt und Finanzen auf Antrag der CDU-Fraktion zu einer außerplanmäßigen Sitzung zusammen.
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