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Von Lars Hartfelder: Fischer-Protest gegen Kormorane

Vom Nabu zum Vogel des Jahres 2010 gekürt – von den Teichwirten dagegen wird der Fischfresser als größter Feind betrachtet

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Luckau - Mit grüner Tarnjacke schleicht sich Matthias Gramsch durch dichtes Schilf. Leichter Nebel liegt über dem Teich. Dann durchbricht ein lauter Knall die Naturidylle. Der 39-Jährige hat gerade einen Kormoran erlegt. Gramsch ist eigentlich Fischer, doch am Morgen macht er sich zuerst mit dem Jagdgewehr auf den Weg.

„Die Tiere fressen bis zu 35 Prozent unseres Fischbestands“, sagt der Teichwirt aus dem Luckauer Ortsteil Fürstlich Drehna im Landkreis Dahme-Spreewald. Mit einer Sondergenehmigung dürfen er und seine Firmenpartnerin Gisela Bräuning-Krätzig von der Ökologischen Teichwirtschaft die unter Naturschutz stehenden Vögel abschießen. Der Kormoran wurde vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) jetzt zum Vogel des Jahres 2010 gekürt. „Das ist eine unglaubliche Frechheit“, sagt Diplom-Ingenieurin Bräuning-Krätzig. „Der Nabu fällt uns damit in den Rücken“, fügt sie hinzu.

Zahlreiche brandenburgische Fischer sind ähnlich erbost über den Naturschutzbund. „Die Teichwirtschaften werden durch den Kormoran in ihrer Existenz bedroht“, sagt der Geschäftsführer des Landesfischereiverbands Brandenburg/Berlin, Lars Dettmann. Die Population des Fischfressers sei in den vergangenen Jahren aufgrund der vielen sanierten Gewässer kontinuierlich gewachsen. Die Naturschützer begriffen nicht, dass sich ursprünglich schutzbedürftige Arten auch erholen und dann zum Problem werden können. „Wir brauchen dringend ein Kormoran-Management, das die Brutkolonien reguliert“, fordert Dettmann. „Wir füttern mittlerweile allein in Fürstlich Drehna mehr als 60 Paare durch, die Teiche sind ihre Lebensgrundlage“, sagt Gramsch. Zwar habe die Firma für die unter Naturschutz stehenden Tiere eine Abschussgenehmigung erhalten, „doch eine Lösung ist das nicht“. In diesem Sommer hätten er und seine Kollegin 40 Vögel erlegt. In ganz Brandenburg waren es 2008 rund 1000 Exemplare, die mit sogenannten Vergrämungsabschüssen getötet wurden.

Der Nabu entgegnet den Fischern: Die Vögel sind nach wie vor schutzwürdig. „Wir sind gegen eine Ausrottungskampagne“, sagt NABU-Landesgeschäftsführer Wolfgang Mädlow. Der Nabu stimme einer Vergrämung an den Teichanlagen zwar zu, der Abschuss solle aber das letzte Mittel sein. „Teichwirte leisten einen massiven Beitrag zur Artenvielfalt, wir fordern daher eine Gleichstellung mit den Landwirten“, betont Mädlow, der eine Grundförderung pro Hektar Teichfläche als dringend notwendig ansieht. Für die Teichwirte in Fürstlich Drehna wären Ausgleichszahlungen „lebensnotwendig“.

Insgesamt liegt deren Verlust bei 70 Prozent, da auch Fischadler, Graureiher, Möwen und Seeadler die Teiche als „gedeckten Tisch“ benutzen. Bis 2008 hatten deutsche Fischer für die naturgerechte Produktion noch Entschädigungszahlungen vom europäischen Förderprogramm KULAP 2000 erhalten. Doch die Unterstützung wurde eingestellt. „Ohne diesen Zuschuss können wir bei den hohen Ausfallraten kaum noch überleben“, sagt Bräuning-Krätzig. „Die Kormorane geben uns den Rest.“ Von der Fördermittelstreichung sind alle 34 brandenburgischen Fischereien betroffen. Gisela Bräuning-Krätzig und Matthias Gramsch versuchen alles, um die Verluste bei der Fischproduktion einzugrenzen. So haben sie die Futterstellen auf den Teichen mit Netzen überspannt, da sich ein Großteil der Fische dort ständig aufhält. Sie bieten einen kleinen Schutz vor den Vögeln. Das widerspreche zwar ihrem ökologischen Ansatz, „wir haben aber keine andere Wahl“, sagen die beiden Fischer, die fast rund um die Uhr arbeiten, um die Fischerei am Leben zu halten und die lange Familientradition fortzusetzen. Dennoch reiche ihr Einsatz nicht aus, um alle Teiche weiter zu bewirtschaften. Die Gewässer mit den seltenen Kleinfischen Schmerlen, Bitterling und Modderlieschen müssten aufgegeben werden.

„Wir werden uns auf die kleineren Teiche konzentrieren, die produktionssicher sind und die wir beherrschen“, sagen die beiden. Zu dem Betrieb gehören 40 Teiche. Die Gewässer befinden sich in den Landkreisen Dahme-Spreewald, Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster.

40 Tonnen Speisefisch ernte die Fischerei jährlich. Ein Großteil wird an Geschäfte in ganz Deutschland, aber auch an Fischerkollegen zur Zucht verkauft. „Absatzprobleme haben wir nicht, die Nachfrage übersteigt unsere Produktion“, betont Bräuning-Krätzig. Die 56-Jährige würde gern mehr Fisch herstellen, doch bei den schwierigen Bedingungen sei dies kaum möglich.

Lars Hartfelder

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