Brandenburg: Flucht in den Tod
Acht Tote bei Wohnungsbrand in Berlin / Anweisungen der Feuerwehr nicht verstanden
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Acht Tote bei Wohnungsbrand in Berlin / Anweisungen der Feuerwehr nicht verstanden Berlin - Sie wollten sich in Sicherheit bringen, doch sie flüchteten in den Tod. Acht Menschen aus zwei Familien starben in der Nacht zu Dienstag bei einem Brand in einem Moabiter Mietshaus, darunter vier Kinder zwischen zwei und elf Jahren. Zwei Personen waren gestern noch in einem kritischen Zustand, sechs weitere hatten Rauchvergiftungen. Nach den ersten Ermittlungen der Polizei hatte ein Unbekannter im Treppenhaus gegen 23 Uhr einen oder mehrere der sieben dort abgestellten Kinderwagen angezündet. Ein politischer Anschlag scheide aus, da kein Brandbeschleuniger (Benzin o.ä.) benutzt worden ist. In dem Haus Ufnaustraße 8 wohnen fast ausschließlich Ausländer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Brandstiftung gegen Unbekannt. Gestern Vormittag informierten sich Innensenator Ehrhart Körting und Landesbischof Wolfgang Huber vor Ort. Das Feuer breitete sich schnell durch das Treppenhaus aus, schon 15 Minuten nach ihrem Eintreffen hatte die Feuerwehr den Brand gelöscht, bis zum zweiten Stock waren die Treppen total verbrannt. Doch was zunächst wie ein Alltagsbrand aussah, geriet zur Katastrophe. Fünf Leichen lagen im Treppenhaus, drei in einer Wohnung, deren Tür zum Treppenhaus geöffnet worden war. Die Familien Q. aus dem Kosovo und die Familie F. aus Polen hatten die Türen geöffnet, um durchs Treppenhaus zu flüchten. „Keiner hat es geschafft, keiner konnte es schaffen“, sagte Feuerwehrchef Albrecht Broemme. Unklar ist, ob diese beiden Familien schon vor Eintreffen der Feuerwehr die Türen öffneten oder die Anweisungen der Feuerwehr nicht gehört oder nicht verstanden hatten. „Es gab Sprach- und Mentalitätsprobleme“, sagte Feuerwehrchef Broemme gestern, „nicht alle haben verstanden, was wir gesagt haben. Schon die ersten Notrufe seien kaum verständlich gewesen, klagte Broemme. Den Vorwurf mangelnder Sprachkenntnisse wiesen andere Hausbewohner empört zurück. Tatsächlich sprachen vor allem die Kinder und Jugendlichen, die gestern vor dem Haus standen gut deutsch, die Älteren zum Teil kaum. Broemme sagte, dass den Familien, die an Fenstern und auf Balkonen standen und um Hilfe riefen, mit Megafonen zugerufen worden war, dass sie dort bleiben sollen, die Feuerwehr werde sie an der Wohnungstür in Empfang nehmen. Eine 15-Jährige sprang aus Panik aus einem Fenster im vierten Stock. Der 25-Jährige Georgio K., der im zweiten Stock wohnte, widersprach dieser Darstellung, „es gab keine Megafone“, sagte der Grieche. Ein Leiterwagen zur Bergung der Menschen wurde nicht eingesetzt, dass hätte nach Feuerwehrangaben angesichts der vielen betroffenen Wohnungen zu lange gedauert. Die Taktik der Retter dagegen: Erst die Flammen löschen, dann mit so genannten Fluchthauben (eine Art Gasmaske) die Personen durchs Treppenhaus in Sicherheit bringen. Denn aus Erfahrung wissen die Helfer, dass bei Treppenhausbränden die Türen den Flammen standhalten. Diese Erfahrung bestätigte sich gestern. Die Flammen konnten sich nur durch eine Wohnungstür im zweiten Stock durchfressen und einen Teil der Wohnung vernichten, alle anderen hielten stand. In diese Wohnungen sei nicht einmal Rauch eingedrungen. Die frühere Ausländerbeauftragte Barbara John schlug gestern vor, dass die Feuerwehr Sicherheitshinweise auf Tonband aufnehmen könnte und an Unglücksstellen abspielen könnte. „Die Standardfloskeln müsste man einfach auf Tonband aufnehmen.“ Polizei und Feuerwehr klagten über etwas anderes: Schon Minuten nach Ausbruch habe sich eine große Menschenmenge von 80 bis 100 Personen vor dem Haus versammelt, Polizeivizepräsident Gerd Neubeck sagte, dass die Rettungsarbeiten dadurch behindert worden seien. In der Menge seien besonders viele Albaner gewesen, die teilweise die Helfer beschimpft und bedrängt hätten. Mieter des Hauses sagten, dass sich die Haustür schon seit einem Jahr nicht mehr abschließen ließ, Fremde konnten also ungehindert ins Haus. Nach Angaben der Kripo gebe es in solch offen stehenden Häusern ständig Brandstiftungen im Hausflur. Die Täter zündeten an, was schnell brennt, also den Papierkorb für Werbezettel oder abgestellte Kinderwagen. „Dafür reicht ein Streichholz“, sagte Michael Havemann von der Brandkripo. Eine eigene Statistik über Treppenhausbrände werde nicht geführt, grundsätzlich sei die Zahl der Brandstiftungen in den letzten Jahren zurückgegangen, sagte Havemann. Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Dahlheimer berichtete, dass es in diesem Moabiter Kiez in der Vergangenheit keine Häufung von Brandstiftungen gegeben habe.
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