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Brandenburg: Fontanes Flotte

Schon der große Schriftsteller beschrieb die Seeschlacht auf Ruppiner Gewässern – am Wochenende beginnt das Kulturfestival erneut

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Neuruppin - Punkt 22 Uhr werden die Fackeln angezündet. Dann kräuselt sich der See im Feuerschein, und das Vorspiel von Richard Wagners „Götterdämmerung“ braust aus den Boxen am Ufer. Plötzlich brechen die Kontrahenten aus dem Schilf hervor. Rechts, von Wustrau her, legen sich die Zietenschen in die Riemen. Linkerhand nahen die Knesebeckschen aus Karwe. Und an der Spitze ihrer Flotten stehen die jungen Befehlshaber im Bug mit gezückten Degen: Christian von Zieten und Karl Friedrich Knesebeck.

So trug es sich 1785 am Ruppiner See zu, so schilderte Theodor Fontane später „die Seeschlacht zwischen Wustrau und Karwe“ – und so wird das Scharmützel nun Mitte Juli wieder aufgeführt. Zum Start des „Seefestivals Wustrau“. 2007 geht dieses Festival bei Neuruppin erst ins dritte Jahr, aber es lockt schon so viel Publikum an, dass es als Erfolgsmodell für Kultur- und Tourismusförderung gilt. 8000 Zuschauer kamen 2006. Ein Schnellstart auch dank der idealen Voraussetzungen, die der Südzipfel des Sees für ein solches Kulturevent bietet.

Ein dörfliches Dreigestirn prägt die Bucht am Ausfluss des Sees. Wustrau, Alt-Friesack und Karwe. Hier ist Preußen noch allgegenwärtig, es gibt Geschichts- und Naturkulissen für Open-Air-Aufführungen – und Theatergucken lässt sich gut mit Sommerfrische verbinden. Sandstrände säumen die Ufer, im Wustrauer Hotel Seeschlösschen oder dem Café Constance am idyllischen Dorfanger ist man gastronomisch gut umsorgt. Als die Begründer des Festivals, der Berliner Schauspieler und Regisseur Marten Sand und die Choreographin Gesine Ringel, 2003 erstmals in diesen Seewinkel kamen, bemerkten sie schnell, welche Chance sich hier bot. Jeden Tag entdeckten sie Geschichten und Orte, die sich dramaturgisch ins Festival einbinden lassen.

Gegenüber von Wustrau liegt Karwe, einst Sitz der Knesebecks. Vom Herrenhaus ist nichts geblieben, doch Fontane hat die versunkene Pracht noch erlebt und beschreibt sie in seinen Märkischen Wanderungen im Kapitel über die Seeschlacht von Wustrau. Hier lebte 1785 der 17-jährige Junker Karl Friedrich Knesebeck und war befreundet mit Christian von Zieten aus Wustrau, dem Sohn des legendären Husarengenerals Friedrichs des Großen, Hans-Joachim von Zieten.

Beide erlernten den Militärberuf in einer für sie langweiligen Zeit. Es gab keine Kriege. Also inszenierten sie ihr eigenes Seeschlachtspiel und heuerten dafür alle Dörfler mit ihren Booten an. Bildhauer Matthias Zagon Hohl-Stein aus Karwe hat dieser Posse mit einem Schmunzeln ein modernes Kunstwerk gewidmet. Die Stahlskulptur am Wustrauer Hafen sieht aus, als hätte sich Don Quijote mit der gefällten Lanze in einen Ruderkahn verirrt – und sie inspirierte Marten Sand, beim Festival Gestern und Heute zu verbinden.

Alljährlich purzeln nun bei der Seeschlacht Theaterprofis und Statisten aus den Dörfern ins Wasser. Und drumherum werden Stücke zeitgenössisch inszeniert. Das Konzept stand, aber der Start war 2005 ein Wagnis wegen der Konkurrenz der Rheinsberger Festspiele und des „Theatersommers“ im nahen Netzeband. Doch Wustraus Qualitäten erschienen wie eine Versicherung: Da gibt es die malerische Badewiese fürs Seeschlacht-Publikum und nebenan den Zauberwald für Kinderstücke. Und das gut erhaltene Schloss von Zietens steht gleichfalls am See. Von den Tribünen im Hof blickt man zur Seebühne, auf der Angela Reinhardt von der Komischen Oper Berlin als „Oceane“ über schaukelnden Bretter wirbeln wird. Passend zur Seekulisse hat sie mit Schauspieler Hans Teuscher und weiteren Kollegen nach Marten Sands Regie ein Theater mit Ballett zu Pink Floyd-Musik einstudiert: die Geschichte einer modernen Meerjungfrau, Vorbild ist Fontanes Romanfragment „Oceane“. Das Bühnenbild, eine gewaltige Eisscholle, fertigt Zagon Hohl-Stein im Atelier in Karwe an.

Wenn Oceane sich einen Liebsten sucht, hat Junker Knesebeck das Seegefecht längst gewonnen. Dank eines Tricks. Als die Zietenschen ihre Gegner fast zurückgedrängt haben, rudern plötzlich Alt-Friesacker Fischer aus dem Schilf und fallen Zieten in den Rücken. Knesebeck hatte sie heimlich dafür angeheuert.

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