Brandenburg: Förderverband pro agro in der Krise
Umsatzsteuernachforderungen von bis zu 500 000 Euro aus der Zeit vor der Fusion belasten Neugründung
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Umsatzsteuernachforderungen von bis zu 500 000 Euro aus der Zeit vor der Fusion belasten Neugründung Von Michael Erbach Potsdam. Der erst vor einem Dreiviertel Jahr neu gegründete Verein pro agro – Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in Brandenburg – steckt in einer Krise. Der Verband, der im Mai 2003 aus der Verschmelzung der Interessenverbände pro agro, Urlaub und Freizeit auf dem Lande sowie Direktvermarktung hervor ging, sieht sich existenziellen finanziellen Problemen und heftigen Personalquerelen ausgesetzt. Ärger nach der Fusion Auslöser der Krise war die für viele Mitglieder überraschende Entlassung von Joachim Fiebelkorn, einem der neuen Geschäftsführer von pro agro, im Dezember des vergangenen Jahres. Fiebelkorn, der vom Verband Urlaub und Freizeit auf dem Lande kam, wird vom jetzigen pro-agro-Vorstand „Vertrauensmissbrauch“ vorgeworfen. Grund für die fristlose Entlassung laut pro-agro-Vorstand: Fiebelkorn habe während der Fusionsverhandlungen wissentlich verschwiegen, dass das Finanzamt Potsdam von seinem Verband erhebliche Umsatzsteuerrückzahlungen verlangt und ein Steuerrechtsstreit beim Finanzamt und Finanzgericht anhängig ist. Zur Vorbereitung der Fusion fand am 3. April 2003 eine Beratung der Vorstände, Geschäftsführer, Steuerberater und steuerlichen Vertreter zur Darstellung der finanziellen Situation der drei zu verschmelzenden Verbände statt. In dieser Beratung, so pro agro, habe der Steuerberater von Urlaub und Freizeit auf dem Lande erklärt, dass das Ergebnis einer Betriebsprüfung von 1997 noch nicht geklärt sei und noch Rückzahlungen vom Finanzamt in Höhe von 30 448 Euro erwartet würden. Diese Aussage, die in Anwesenheit von Fiebelkorn nicht korrigiert wurde, wurde von allen Anwesenden der drei Vereine als Aussage gewertet, dass der Verein Urlaub und Freizeit auf dem Lande ein wirtschaftlich stabiler Verein sei. Auf dieser Basis sei die Verschmelzung der drei Vereine am 17. Mai vorgenommen worden. Im November 2002, also ein halbes Jahr nach der Fusion, wurde durch den Vorstand von pro agro jedoch aufgedeckt, dass zum Zeitpunkt der Fusion durch das Finanzamt Potsdam schriftlich Umsatzsteuernachforderungen gegenüber dem Verein Urlaub und Freizeit auf dem Lande in Höhe von 167 000 Euro für die Jahre 1993 bis 1996 auf der Grundlage von Umsatzsteuerprüfungen und Betriebsprüfungen geltend gemacht wurden und die Zahlung nur durch einen Rechtsstreit beim Finanzgericht Brandenburg ausgesetzt wurde. Aus den Unterlagen, so der Vorstand von pro agro gegenüber den PNN, sei weiterhin hervorgegangen, dass sowohl der Steuerberater sowie auch Geschäftsführer Fiebelkorn über die Auswirkungen einer möglichen Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz unterrichtet gewesen seien „und über diese Tatsachen während er Fusion geschwiegen haben“. Da die vom Finanzamt gerügte Umsatzsteuerberechnung auch nach 1996 unverändert fortgesetzt worden sei, könnten sich für die Folgejahre bis 2003 im schlimmsten Fall Steuernachzahlungen in Höhe von bis zu 500 000 Euro ergeben. „Diese Steuernachforderungen belasten den neu gegründeten Verein“, so pro-agro-Vorsitzender Peter Kretschmer auf PNN-Anfrage. Der Verband pro agro arbeitet jetzt unter Hochdruck an der Aufklärung und der Lösung dieser Problematik. Eine Auflösung des Verbandes solle verhindert werden, „denn pro agro ist im Land Brandenburg ein wichtiger Verband zur Förderung und Entwicklung des ländlichen Raumes“, sagte Kretschmer. Im schlimmsten Fall könne es jedoch dazu kommen, dass der ehemalige Vorstand vom Verein Urlaub und Freizeit für Regressforderungen in persönliche Haftung genommen werden könne. Umso unverständlicher sei es für die ehrenamtlichen tätigen Vorstandsmitglieder von pro agro, dass ein Teil der pro-agro-Mitglieder, insbesondere aus dem früheren Verein Urlaub und Freizeit auf dem Lande, gegen die Entlassung von Fiebelkorn stimmt und auf der für den 11. März einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung dafür den Vorstand zur Verantwortung ziehen möchte. So wurden sogar Rücktrittsforderungen laut. Klage gegen Entlassung Zudem klagt Fiebelkorn gegen seine Entlassung. Laut Presseberichten argumentiert sein Anwalt, Frank-Axel Dietrich, damit, dass Fiebelkorn für den folgenreichen Fusionsbericht nicht verantwortlich sei und es eine Aktennotiz gebe, die auf den offenen Streit mit dem Finanzamt verweise. Zudem bestünden gute Aussichten, sich mit dem Finanzamt doch noch zu einigen. Ein erster Gütetermin scheiterte. Am 27. April kommt es nun zum Prozess vor dem Arbeitsgericht Die Querelen um Fiebelkorn haben die Arbeit von pro agro bereits negativ beeinflusst. Kretschmer weiß um die Lücke, die sich aufgetan hat. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung will der Vorstand nach PNN-Informationen u. a. Vorschläge erarbeiten, wie der wichtige Bereich Landurlaub in die Arbeit des Vorstandes, in Arbeitskreisen und in die Geschäftsstelle einbezogen werden kann. Kretschmer möchte, dass sich „pro agro“ möglichst bald wieder voll und ganz seiner Aufgabe widmen kann. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob dies möglich ist. Eine große Hürde dazu wird die Mitgliederversammlung am 11. März sein. Internet: www.natuerlich-brandenburg.de
Michael Erbach
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