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Brandenburg: Forscher fordern Freiheit für Andrej H. Dieser soll Mitglied der „Militanten Gruppe“ sein

Berlin - Eine Stunde am Tag darf Andrej H. aus seiner Einzelzelle in den Hof.

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Berlin - Eine Stunde am Tag darf Andrej H. aus seiner Einzelzelle in den Hof. Er hat keinen Kontakt zu anderen Häftlingen und darf keinen Sport machen. Seine Post liest vorher der Haftrichter. Und bei Treffen mit seiner Freundin sind die beiden umringt von Ermittlern des Bundeskriminalamtes, die jedes Wort mitschreiben.

Der 36-jährige Stadtsoziologe Andrej H. sitzt seit dem 1. August wegen des „Verdachts der Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung“ in Untersuchungshaft. Begründet wurde die Haft damit, dass Veröffentlichungen des Mitarbeiters der Humboldt-Universität „Schlagwörter und Phrasen“ enthalten, die auch in Bekennerschreiben der „Militanten Gruppe“ zu finden sind, kurz: „MG“. Der seit 2001 bekannten Gruppe werden über 20 Brandanschläge zugeschrieben, überwiegend auf öffentliche Gebäude oder Fahrzeuge.

Wegen dieser „Kriminalisierung kritischer Wissenschaft“ haben mehrere hundert Wissenschaftler aus Deutschland, Kanada, Australien und den USA Protestbriefe an Generalbundesanwältin Monika Harms unterschrieben. Darunter sind auch die bekannten amerikanischen Soziologen Richard Sennett und Saskia Sassen. „Je geistreicher ein Forscher ist, desto verdächtiger wird er“, sagt der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann. Der Professor an der Humboldt-Universität hat den offenen Brief mit initiiert. Andrej H. hat bei ihm promoviert über den „sozialen und baulichen Wandel in Prenzlauer Berg nach der Wende“. Häußermann sagt über Andrej H.: „Gewiss, er ist ein Linker und kommt von marxistischen Denktraditionen, aber er hat niemals etwas mit Gewalttätigkeit zu tun gehabt.“

H.s Verteidigerin Christina Clemm sagte, ihr Mandant habe gemeinsam mit anderen ostdeutschen Intellektuellen auch Beiträge zum Thema Rechtsextremismus veröffentlicht. Er habe ferner bei Betroffenheitsvertretungen in Sanierungsgebieten mitgewirkt und Artikel in einem Mietermagazin veröffentlicht. Die Umwandlung von „Arbeitervierteln“ in „Szenequartiere“ zähle zu seinen Forschungsschwerpunkten – „Gentrifizierung“ nennen Soziologen das. Dass die MG das Wort in einem Bekennerschreiben übernahm, sei dem Wissenschaftler zum Verhängnis geworden.

Die Rechtsanwältin spricht von einem „Konstrukt“ der Bundesanwaltschaft, der es an Beweisen mangele. Zu dem Konstrukt zähle auch, dass sich der Wissenschaftler zwei Mal mit einem Mann traf, der später mit drei anderen Brandsätze unter Bundeswehrfahrzeuge gelegt haben soll. Der Inhalt der Gespräche sei den Ermittlern nicht bekannt. Die vermeintlichen Brandstifter sitzen ebenfalls in Untersuchungshaft. Andrej H.“s Schriften nähren den Verdacht bei den Ermittlern, dass die vier Mitglieder der MG sein könnten. Alle sieben Beschuldigten schweigen zu den Vorwürfen. Am Freitag entscheidet der Richter, ob die Haft aufgehoben wird. Die Bundesanwaltschaft äußerte sich mit Hinweis auf laufende Ermittlungen nicht. Schönball/Schuller

Schönball, Schuller

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