
© dpa
POSITION: Frau Ludwig überm Rubikon
Brandenburgs CDU-Chefin betreibt ein brandgefährliches Spiel
Stand:
In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir im politischen Diskurs des Landes immer wieder Verlautbarungen der Vorsitzenden der brandenburgischen CDU zur Kenntnis genommen, die mindestens fassungsloses Erstaunen ausgelöst haben. Mal war es die Idee für Planungen zu einer isolierten Start- und Landebahn zum neuen Flughafen im Süden des Landes, mal die geistreichen Darlegungen zum „Umbaggern“ von der Braunkohle betroffener Lausitzdörfer. All dies mag jeder fachlich nach seinen Gusto beurteilt haben. Problematischer waren da schon diverse Interviews und Artikel die zunächst den Verdacht nährten, dass Ludwig beabsichtigen könnte, die CDU auf einen brandgefährlichen Kurs zu trimmen.
Die jüngsten Verlautbarungen scheinen diese Befürchtungen nun leider zu bestätigen. Und dieses mit Nichten weil nunmehr wir Liberalen selbst ein Thema der Landesvorsitzenden geworden sind – nein: Saskia Ludwig hat nun den Rubikon brandenburgischer Verantwortungspolitik überschritten!
Man hätte den jüngsten Beitrag eigentlich als Petitesse übersehen können. Denn wer ausgerechnet in einer Zeitschrift, die ein politisches Sammelbecken für rechtspopulistische Forderungen ist, die Übernahme des Liberalismus ankündigt, zeigt alleine daran schon, dass er weder in Geschmacksfragen stilecht, noch inhaltlich kompetent ist. Nur leider geht das Problem deutlich tiefer. Denn wenn eine gesamte Oppositionspartei, noch dazu die gegenwärtig größte, aus dem ernst zu nehmenden Spektrum der politischen Kräfte auszuscheren droht, dann geht es um mehr als um die Geschmacksverirrung einer einzelnen Protagonistin, dann geht es um den Schaden, der dem Land dadurch entstehen könnte. Und diese Frage berührt in der Tat den innersten Kern liberalen Selbstverständnisses!
In einer Demokratie müssen sowohl die Regierungsfraktionen, als auch die Oppositionsfraktionen ihre jeweils eigene Verantwortung für das Land wahrnehmen. Eigentlich ist diese Feststellung unter Demokraten so banal, dass sie keiner weiteren Erörterung bedürfte. Liberale glauben daran, dass in dem Verhältnis von Regierung auf der einen und sie kontrollierender, aber eben auch anregender Opposition, auf der anderen Seite, die Stabilität einer demokratischen Gesellschaftsordnung liegt. Zudem erwächst genau aus diesem Ordnungsprinzip der Garant für den Fortschritt. Liberale nennen das das freie, aber eben geordnete Spiel der Kräfte, aus dem die Innovation erwächst. Und genau daraus wird auch deutlich, dass es dazu auf beiden Seiten der Qualität bedarf. Eine Regierung kann nur so gut sein, wie die sie kontrollierende, aber eben auch anregende, gelegentlich auch treibende Opposition. Und je schlechter die Regierung aus sich heraus agiert, desto umfangreicher kommt der Opposition die Verantwortung des treibenden Elementes zu. Daher trifft der bekannte Satz „Opposition ist Mist“ allenfalls dann zu, wenn man einer sehr guten Regierung gegenüber steht und deren Handeln kaum „zu toppen“ ist – ein Zustand, der in Brandenburg zurzeit aber reine Utopie ist.
Dieser Umstand korrespondiert mit dem wichtigsten Grundprinzip des Liberalismus, dem Gleichklang von Freiheit und Verantwortung. Auch die Opposition muss sich der Verantwortung für das Land bewusst sein. Opposition kann und darf es sich nicht leisten ein Spiel zu spielen, in dem sie je nachdem vor welchem Publikum sie steht, mal die eine und mal die anderer These ausprobiert. Mal im Angesicht der zweifellos berechtigten Proteste von Bürgerinitiativen von falschen Standortentscheidungen eines Flughafens reden, um dann an anderer Stelle vor Wirtschaftsvertretern das hohe Lied ökonomischer Potenziale anzustimmen. Wer ein solches Verständnis zum Gegenstand seiner Politik macht, der redet vielleicht von Liberalismus, aber er meint Populismus. Und er ist, und darin liegt die Tragik, kein verlässlicher Partner mehr. Weder für den Bürger, noch für die politischen Mitbewerber, die sich in oftmals wahrlich nicht einfachen Abwägungsprozessen ihrer Gesamtverantwortung für das Land zu stellen haben.
Hinzu kommt, dass eine solche Politik gerade gegenwärtig für unser Brandenburg untragbar ist. Die Opposition des Landes steht in der Pflicht, die Alternative zu den herrschendenVerhältnissen deutlich zu machen. Diese Alternative bedeutet in erster Linie, an die großen bürgerlichen Traditionen des Landes anzuknüpfen. Was wir in Brandenburg brauchen ist eine Kultur der Verantwortlichkeit in Verlässlichkeit. Wer sollte dieses leisten können, wenn nicht die bürgerlichen Parteien? Über die Zukunft wird entscheiden, ob es uns gelingt Talente, Technologien und Toleranz in unserem Land heimisch werden zu lassen. Dabei müssen wir gerade im Friedrichjahr wahrlich nicht alles neu erfinden. Aber wir müssen uns diesem Anspruch mit der Kraft des eigenen Vorbildes stellen. Liberale Bürgerlichkeit für Brandenburg bedeutet, dass wir vom Ideal der Freiheit eines jeden Einzelnen ausgehen. Dabei jedoch auch deutlich bekennen, dass das Glück in die eignen Hände zu nehmen auch immer das Risiko des Scheiterns birgt. Vielleicht einer der wenigen liberalen Grundsätze, die man auch der CDU Vorsitzenden zubilligen muss.
Gleich in der Einleitung ihres jüngsten Artikels bedient sie sich vermeintlich wirtschaftspolitischen Vokabulars – sie spricht vom „Portfolio einer Partei“ und von „Übernahmen die gängige Praxis seien“. Ich war nie der Überzeugung, dass die Verwendung wirtschaftspolitischen Vokabulars für sich genommen schon Garant einer liberalen Geisteshaltung sein könnte. Saskia Ludwig leitet daraus sogar den Anspruch der Übernahme des Liberalismus in Deutschland ab. Eigentlich schade, denn als gelernter Kaufmann kenne ich nur zu gut den Grundsatz der „Konzentration auf das Kerngeschäft“. Es hat sich schon so mach einer mit einer „feindlichen Übernahme“ überhoben. Aber das ist auch gar nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass das Spiel der Saskia Ludwig brandgefährlich ist – aber mit unserem Land Brandenburg spielt man nicht!
Der Autor ist FDP-Landesvorsitzender und Mitglied des Landtages Brandenburg
Gregor Beyer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: