zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Frauen spielen einfach zu schlecht“

Brandenburg unterstützt die Billard-WM in der Stadt Brandenburg mit viel Geld – Preisgelder gibt es aber nur für Männer

Stand:

Potsdam/Brandenburg/Havel - An der Kraft liegt es nicht, sagt Wolfgang Rittmann – eigentlich gälten Frauen ja sogar als feinmotorisch begabter als Männer. „Trotzdem ist das Leistungsniveau der Frauen im Billard relativ niedrig“, so der Präsident der europäischen Billard-Vereinigung (CEB). Das ist der Grund, warum Frauen bei der Billard-EM, die aktuell in Brandenburg/Havel stattfindet, keine Preisgelder erhalten, die Männer aber schon. Den Siegern des Dreiband-Wettbewerbs – nach Verbandsaussagen der Höhepunkt der Turnierwoche - winkt beispielsweise ein Preisgeld in Höhe von rund 30 000 Euro.

Ist das diskriminierend? Rittmann sagt, nein. Eigentlich gebe es im Billard keine Trennung zwischen den Geschlechtern, Männer und Frauen sind gleichberechtigt, so steht es in den Statuten des CEB. Soll heißen, die Frauen könnten theoretisch an der offiziellen EM teilnehmen – wären sie nicht zu schlecht, so Rittmanns Argumentation.

Stattdessen habe man vor 15 Jahren die Frauen-EM ins Leben gerufen. „Das ist eigentlich eine Fördermaßnahme“, sagt Rittmann – leider hätte sich das Niveau in dieser Zeit nicht deutlich gebessert. Preisgeld gibt es dafür eben nicht. „Die Preisgeldvergabe selbst ist nicht geschlechtergebunden“, sagt er. Grundsätzlich spräche für ihn deshalb nichts dagegen, auch im Nebenwettkampf der Frauen Gewinne auszuloben, es sei nur einfach kein Geld übrig gewesen, so Rittmann.

Dabei wurde die Billard-EM vom Land Brandenburg mit 10 000 Euro gefördert, Brandenburg/Havel gab sogar 90 000 Euro. Dieses Geld fließt nach Aussage des Veranstalters, der Sportgemeinschaft Stahl Brandenburg (SG Stahl), aber nicht in die Preisgelder, sondern allein in die Wettkampfkosten. Darunter fallen etwa Übernachtungen, Material und Ausrüstung.

„Preisgelder werden grundsätzlich nicht gefördert, sondern stammen von den teilnehmenden Nationalverbänden“, so Helga Blawid, die das Organisationsteam leitet. Etwas anderes würde man auch gar nicht unterstützen.

Kritik an der Preisgeld- Praxis hatte am Freitag Olaf Reifflin geübt. Er ist kein Offizieller, gehört weder dem Verband noch der SG Stahl an, kennt die Billardszene aber seit Jahren. 1999 hat er nach eigenen Aussagen das erste Internationale Damenbillardturnier ins Leben gerufen. „Ich bin entsetzt über dieses archaische Frauenbild, dass sich bei der EM in Brandenburg offenbart“, sagte er gegenüber den PNN. Das Ziel vieler Verbände, Billard als olympische Disziplin festzuschreiben, werde durch solche Aktionen konterkariert. Die Sportart ist seit 1998 eine olympisch anerkannte Sportart, jedoch nicht Teil des olympischen Programms.

Rittmanns Argument des mangelnden Könnens lässt Reifflin nicht gelten, ihm geht es um die Ungleichbehandlung. Er räumte aber ein, dass nicht alle Frauen die Preisgeld-Frage als Problem sehen. So schlecht, wie Rittmann behaupte, seien sie längst nicht: Die neue Europameisterin der Frauen, die Holländerin Monique van Exter, habe auch schon in der Deutschen Bundesliga gespielt. Gegen Männer. In Brandenburg hatte sie sich gegen Kontrahentinnen aus Frankreich, Belgien, Dänemark, Deutschland und der Türkei durchgesetzt.

Bei aller Aufregung, die Reifflins Vorwurf am Freitag bei den Veranstaltern hervorgerufen hatte: Neu ist der Sachverhalt nicht. Seit 15 Jahren spielen die Frauen ohne Preisgeld ihren eigenen Wettbewerb. Die Empörung, die jetzt hochkocht, hängt mit einem anderen Punkt zusammen.

Bislang habe es für die Frauen immerhin eine Aufwandsentschädigung von rund 150 Euro pro Tag gegeben, bemängelt Reifflin. Den gebe es in Brandenburg erstmals nicht – zumindest nicht vonseiten des Veranstalters. Die insgesamt 24 Frauen, die dort angetreten waren, sind von ihren jeweiligen Nationalverbänden finanziert worden, sagt Riesmann. Vor zwei Jahren hätten sich die Verbände darauf geeinigt, dass die Entschädigung nicht mehr von den organisierenden Verbänden übernommen wird. Darüber seien auch alle Spieler informiert worden.

Reifflin hält dagegen: Der spanische Verband etwa stehe finanziell so desolat da, dass er keine Spielerin habe schicken können. Andere seien vor Ort von der Neuregelung überrascht worden.

Beim Brandenburgischen Sportministerium hatte man am Freitag von den Vorwürfen noch nichts mitbekommen und wollte sich demzufolge auch nicht dazu äußern. Es lasse sich nicht überprüfen, was an der Kritik dran sei, hieß es. Das Vorgehen und die Entscheidungen der Veranstalter könne man deshalb nicht bewerten. Bestätigt wurde lediglich, dass das Ministerium die Ausrichtung der Billard-EM in Brandenburg/Havel einmalig mit 10 000 Euro gefördert hat.

Der zweite Förderer ist die Stadt Brandenburg, deren Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann ist zugleich Schirmherrin der EM. Sie war am Freitag für die PNN nicht zu erreichen.

Der Gesamtetat für die EM lag bei 400 000 Euro. „Um den Sport zeitgemäßer darzustellen, werden keine Kosten und Mühen gescheut“, heißt es dazu beim CEB.

Für den späten Freitagabend kündigte der CEB eine Stellungnahme zu den Vorwürfen an. Dort wirft man Reifflin vor, den Zeitpunkt für seinen Angriff bewusst gesetzt zu haben: Der Bundestag hatte am Donnerstag gegen eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen gestimmt. Die Stimmung für eine Debatte über Sexismus sei günstig, soll das wohl heißen.

„Das ist völliger Quatsch“, sagt Reifflin, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen habe mit einer Quote nichts zu tun.

Während die Wettkämpfe der Frauen bereits abgeschlossen sind, spielen die insgesamt 64 Männer aus 20 Ländern noch bis zum Sonntag. Eigentlich sollte hier nicht von Männern und Frauen, sondern von Spielern gesprochen werden, das sagt auch Rittmann. Woran es liegt, dass es an der Qualität des weiblichen Billardspiels so hapert, konnte er am Freitag jedoch nicht erklären.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })