Brandenburg: Freiheit für Tibet und die Heide
Deutschlands größter Ostermarsch in Fretzdorf – nur ein kleiner in Berlin
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Fretzdorf/Berlin - In Berlin war Herbert Mentzel am Montag ein Einzelkämpfer mit seiner Fahne „Für die freie Heide“. Rings um ihn demonstrierten etwa 700 Berliner Ostermarschierer unter allen möglichen friedensbewegten Bannern: Palästinensische, tibetische und kurdische Fahnen wehten auf dem Zug vom Adenauerplatz zu Gedächtniskirche und Breitscheidplatz über den Köpfen der Demonstranten, Plakate forderten „Bundeswehr raus aus Afghanistan“ und „Kein Krieg um Öl“. Für die Friedensaktivisten ist 2008 ein Jubiläumsjahr: Vor 50 Jahren war der erste Ostermarsch in London gestartet.
Sie alle brachte damals wie heute die Sorge um Kriege auf die Straße. „Ich finde es klasse, dass hier alle gemeinsam für Frieden demonstrieren“, sagte eine Kreuzberger Studentin. Die 20-Jährige hält nichts von militärischen Einsätzen: „Nur gewaltloser Widerstand bringt etwas.“ So richtete sich der Protest der Berliner Ostermarsch-Veranstalter vornehmlich gegen die Einsätze im Irak und Afghanistan. Nagawang Zongka (28) aus Tibet kam mit drei Freunden – „Free Tibet“ stand auf den Stirnbändern des Quartetts. „Ich sehe diese Veranstaltung auch als Informationsplattform. Wir wollen die Leute auf unseren Konflikt aufmerksam machen“, sagt der politische Flüchtling. Seit Tagen hat er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, die nahe der tibetischen Hauptstadt wohnt. Für ihn ist die Situation in Tibet „traurig und katastrophal“.
Auch im märkischen Dörfchen Fretzdorf hatten einen Tag zuvor, am Ostersonntag, Tibet-Flaggen geweht, war für einen Abzug aus Afghanistan und gegen Krieg im Irak demonstriert worden – doch Herbert Mentzel aus Berlin-Charlottenburg wäre hier nicht allein mit seiner Fahne geblieben: Seit 16 Jahren wird im Nordwesten Brandenburgs auch Ostern vornehmlich gegen die Bundeswehr-Pläne vor der eigenen Haustür demonstriert: Am Sonntag hatten sich in Fretzdorf bei Wittstock 5000 Menschen versammelt, die gegen die geplante Wiederinbetriebnahme des Luft-Boden-Schießplatzes durch die Bundeswehr demonstriert hatten. „Dagegen muss man was tun. Die Bundeswehr macht ja sonst, was sie will“, sagte der 61-Jährige Mentzel am Montag in Berlin.
Die Bürgerinitiative Freie Heide hatte nach Fretzdorf zu ihrer 16. Osterwanderung gegen den Luft-Boden-Schießplatz geladen. Die Aktion war – wie schon die Märsche in den Jahren zuvor – der größte Ostermarsch in Deutschland.
An der Kundgebung in Fretzdorf beteiligten sich dieses Mal allerdings deutlich weniger Menschen als in den vergangenen Jahren. 2007 hatten sich nach Veranstalterangaben 10 000 Teilnehmer auf dem Dorfplatz in Fretzdorf versammelt. Der Sprecher der Bürgerinitiative Freie Heide, Benedikt Schirge, äußerte sich dennoch positiv. Angesichts des nasskalten Wetters sei die Resonanz zufriedenstellend gewesen. Die Polizei registrierte keinerlei Störungen. Alles sei reibungslos verlaufen, sagte ein Sprecher.
Auf einer Kundgebung an der Grenze zum „Bombodrom“ kritisierten Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) und der Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Jürgen Seidel (CDU), die Pläne des Bundesverteidigungsministeriums für den Bombenabwurfplatz. Sie hätten negative Auswirkungen besonders auf den Tourismus. Zugleich sicherten sie den „Bombodrom“-Gegnern weiterhin die Hilfe der Landesregierungen zu.
Auch die Vorsitzende der Linksfraktion im Brandenburger Landtag, Kerstin Kaiser, forderte die Aufgabe der Pläne. Es gebe keine Argumente für die militärische Nutzung der Heidelandschaft.
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) müsse sich beim Bund noch energischer als bisher für die friedliche Nutzung des Areals einsetzen.
Bereits am Karfreitag hatte die märkische Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefordert. Merkel solle Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) „auf die Ebene der Tatsachen zurückholen“ und eine Aufgabe seiner Pläne erwirken. Zudem warf Behm dem Minister und einigen Militärs vor, es gehe ihnen bei dem Schießplatz um Macht und Prestige. Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: „Und diese Spielereien bremsen seit nunmehr 16 Jahren die Regionalentwicklung rund um die Kyritz-Ruppiner Heide.“ Die Luftwaffe plant auf dem 12 000 Hektar großen ehemaligen sowjetischen Luft-Boden-Schießplatz bei Wittstock bis zu 1700 Einsätze im Jahr. Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte im Juli 2007 allerdings drei Musterklagen von Gegnern des „Bombodroms“ stattgegeben und die vom Verteidigungsministerium erteilte Betriebserlaubnis für das Areal aufgehoben. Das Ministerium beantragte Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.
Die Freie Heide veranstaltet die Osterwanderungen seit 1993. Außerdem ruft sie seit 1992 jährlich zu mehreren Protestwanderungen auf. Der diesjährige Ostermarsch galt als 108. Protestwanderung. Susann Fischer, Liva Haensel
Susann Fischer, Liva Haensel
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