Brandenburg: Friedliche Walpurgisnacht
300 Autonome suchten in Berlin-Friedrichshain die Konfrontation – fanden sie aber nicht. Erstmals keine Sachschäden
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Berlin - In den Vorjahren fingen Polizei- und Zeitungsberichte über die Walpurgisnacht immer so an: „Um soundsoviel Uhr kippte die Stimmung, Flaschen und Steine flogen auf Polizisten“. In diesem Jahr drohte die Stimmung keine Minute lang zu kippen, eine derartig friedliche Nacht in den 1. Mai hatte es seit 10 Jahren nicht mehr gegeben. Nicht einmal die Bushaltestelle direkt am Boxhagener Platz erlitt Glasbruch, kein Polizeiauto wurde beschädigt. Dabei hatten sich zu dem Punkkonzert auf dem Friedrichshainer Platz wie im Vorjahr seit den frühen Nachmittagsstunden knapp 1000 Menschen versammelt. Doch als die Musik dann wie vorgeschrieben um 22 Uhr endete, passierte – nichts. Zwar gröhlten Betrunkene den Polizisten die üblichen Sprüche ins Gesicht, doch die hatten die Helme auf und Visiere heruntergeklappt und hörten weg. Weder das Zünden eines einzelnen Krachers, noch die sporadischen „Jetzt geht’s los“-Rufe entzündeten den Funken der Gewalt. Polizeipräsident Dieter Glietsch, der den ganzen Abend am Boxhagener Platz präsent war, zeigte sich spät in der Nacht erleichtert und sinnierte, ob die militante Linke nicht mehr kann oder nicht mehr will. Doch es war seiner Einschätzung nach vor allem die clevere Taktik, die verhinderte, dass die etwa 100 von der Polizeiführung als gewaltbereit eingeschätzten Autonomen das Fest missbrauchen konnten.
Anders als am 1. Mai 2005 in Kreuzberg, bei dem die Polizei sich so lange wie möglich im Hintergrund hielt, wurde in der Walpurgisnacht Stärke demonstriert. So galt in diesem Jahr wieder ein Flaschen- und Dosenverbot am Platz, damit möglichst wenig Wurfgeschosse da sind. Bereits um 20.45 Uhr schaltete die Polizei an allen vier Platzecken starke Flutlichtstrahler ein. Zum Ende des Konzerts hin positionierten sich mehrere Hundertschaften jeweils in Zehnergruppen unter den teilweise stark betrunkenen Feiernden, darunter viele Punks und Linksautonome, aber auch Touristen aus verschiedenen Ländern.
Durch die massive Polizeipräsenz konnten sich keine größeren Gruppen zusammenrotten. „Etwa 300 Personen suchten die Konfrontation, ihre Hoffnung erfüllte sich aber nicht“, teilte das Polizeipräsidium gestern offiziell mit.
65 Personen wurden aus der Menge festgenommen, und zwar „beweissicher“ nach durch Videokamera dokumentierten Straftaten. „Wir lernen jedes Jahr dazu, die Autonomen pflegen seit Jahren die gleiche Taktik“, sagte ein Polizeiführer.
Die letzten 300 Verbliebenen, die nach Mitternacht die Grünberger Straße nicht räumen wollten, wurden in Richtung Gärtnerstraße und Warschauer Straße abgedrängt, ohne die sonst üblichen Sachschäden. Eine gewisse Unruhe war nur gegen 23 Uhr entstanden, als auf einem Dach direkt am Platz plötzlich einige Personen erschienen. Ein Hubschrauber leuchtete mit starken Scheinwerfern die Dächer aus, doch die Leute wollten offensichtlich nur gucken, keine Ziegel werfen wie bei den Krawallen in den 90er Jahren.
Im Mauerpark hatte es in diesem Jahr keinerlei Veranstaltungen gegeben, dort feierten vor allem Familien, allerdings wegen des kühlen Wetters weniger als im Vorjahr. 2002 bis 2004 gab es dort regelmäßig massive Ausschreitungen.
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