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Brandenburg: „Friedrichs neue Provinzen“
Besiedlung Preußens unter dem Alten Fritz / Bad Freienwalder Ausstellung stellt die urbar gemachten Landstriche vor
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Bad Freienwalde - Ehrfurchtsvoll öffnet Reinhard Schmook eine große Mappe und präsentiert ein historisches Dokument mit kunstvoll verschnörkelter Schrift. „Mein lieber Obrist von Lestwitz“, beginnt das Schreiben, unter dem die Original-Unterschrift von Preußenkönig Friedrich II. prangt. „Das ist die Schenkungsurkunde des Monarchen von 1769. Seinem verdienstvollen preußischen Generalmajor Hans Sigismund von Lestwitz überließ er damit das Gut Friedland“, berichtet Schmook, Leiter des Oderlandmuseums in Bad Freienwalde.
Das wertvolle Dokument wurde seinen Angaben nach erst ein Mal in Potsdam gezeigt. Ab 5. Mai ist es eines der wichtigsten Exponate der Ausstellung „Friedrichs neue Provinzen – Die innere Kolonisation im 18. Jahrhundert“. Sie wird bis 2. November im Bad Freienwalder Schloss gezeigt, parallel gibt es eine Schau im Dominikanerkloster Prenzlau, die eine Woche später eröffnet wird. „Von authentischen Originalen wie dieser Schenkungsurkunde, Kolonistenbriefen und dem damaligen Kirchenbuch des ersten Oderbruch-Kolonistendorfes Neulietzegöricke leben beiden Ausstellungen – und natürlich von unseren Forschungsergebnissen“, betont der Regionalhistoriker. Bereits seit 30 Jahren werde im Oderlandmuseum geforscht und recherchiert, unter anderem auch zu den zivilen, wirtschaftlichen Verdiensten Friedrich II., die in der Brandenburger Landesgeschichte noch heute Bestand haben. „Insofern sind wir kein Abklatsch anderer Schauen im Jubiläumsjahr anlässlich seines 300. Geburtstages, sondern liefern tatsächlich viele neue Aspekte und Informationen“, verspricht der Museumsleiter.
Alle Landstriche in der Mark Brandenburg, die der Preußenkönig urbar machte, um die Bevölkerung mit Siedlern zu verstärken, werden vorgestellt. „Das waren vor allem Sumpfgebiete wie das Rhinluch, das Havelbruch, Teile des Spreewaldes, Gebiete südöstlich Berlins sowie das Warthe- und das Netzebruch, aber auch ausgedehnte Waldgebiete in der Uckermark“, sagt der promovierte Ethnograf. Das einst an Lestwitz verschenkte Gut Friedland, heute Altfriedland bei Neuhardenberg, liegt am westlichen Rand des Oderbruchs, jenes Landstrichs, der erst durch die Trockenlegung und die Begradigung der Oder flächendeckend besiedelt werden konnte. Bis heute gilt die unter Friedrich II. geschaffene Kulturlandschaft vor den Toren Bad Freienwaldes als Vorzeigebeispiel für seine Weitsicht, auf den so gewonnenen fruchtbaren Böden die Ernährungsgrundlage Preußens zu sichern.
Aufgrund der regionalen Nähe bildet das Oderbruch so auch das Hauptthema der Bad Freienwalder Ausstellung. In der Schau und begleitenden Flyern gibt es zahlreiche Ausflugstipps, um sich einstige Kolonistenhäuser im Original anzuschauen. Beispielsweise auf dem gepflegten Vierseitenhof der Kolonisten-Nachfahren Borkenhagen. „Wir haben noch viele alte Unterlagen und ein kleines Museum mit Gerätschaften aus jener Zeit von 1753, als unsere Familie hier neu begann“, sagt Eckhard Borkenhagen.
Die rund 8000 Kolonisten, die der Monarch in anwarb, waren juristisch frei, brauchten keine Steuern zahlen, waren vom Militärdienst befreit. Sie bekamen per Kolonistenbrief Land, Vieh und Gerätschaften gestellt, verpflichteten sich im Gegenzug, über drei Generationen ihren Besitz nicht zu verkaufen. „Unter Ansiedlungswilligen sprach sich herum, dass der König zu seinen Versprechen stand, auch wenn es den Staat teuer zu stehen kam. Und so hatte er keine Mühe, Kolonisten zu finden“, erzählt der Museumsleiter, nach dessen Angaben die Besiedlung des Oderbruchs 1754 begann und 15 Jahre andauerte. Anlaufpunkt war demnach das sogenannte Bruchamt in Wriezen, der Stadt, die bis heute als heimliche Oderbruch-Hauptstadt bezeichnet wird.
Die unter Friedrich II. entstandene Kulturlandschaft Oderbruch ist für Schmook auch deshalb zentrales Thema, weil es bis heute aktuell ist. „Das Oderbruch wurde von Menschenhand umgestaltet, das lässt sich nicht einfach renaturieren“, meint der Museumsleiter mit Verweis auf die jüngsten Probleme mit dem Binnenhochwasser.
Lebensgrundlage für 20 000 Menschen sei nun einmal die landwirtschaftliche Nutzbarkeit von 32 500 fruchtbaren Hektar Ackerland. „Gräben, Schöpfwerke und Deiche müssen gepflegt und unterhalten werden“, sagt Schmook. Bernd Kluge
Bernd Kluge
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