zum Hauptinhalt
Abgebrannt. Das Haus der Demokratie in Zossen (Teltow-Fläming) fiel im Januar einem rechtsextremistische Brandanschlag zum Opfer.

© Patrick Pleul/lbn

Von Alexander Fröhlich: Für „fehlende sittliche Reife“ ins Heim

Nach dem Brandanschlag von Zossen muss ein 16-jähriger Rechtsextremist nicht ins Gefängnis

Stand:

Zossen – Der 16-jährige Brandstifter, der im Januar das Haus der Demokratie in Zossen (Teltow-Fläming) in Flammen gesetzt hatte, kommt ins Heim. Damit bleibt der rechtsextremistische Anschlag auf das Zentrum der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“, bei dem auch eine Ausstellung zum jüdischen Leben zerstört worden war, ohne strafrechtliche Folgen.

Das Amtsgericht Zossen hat das Verfahren gegen den geständigen Haupttäter und einen 15 Jahren Freund nach dem Jugendgerichtsgesetz eingestellt. Zugleich ordnete es die Unterbringung des 16-Jährigen in ein Heim an, weil dieser „nicht über die sittliche Reife“ verfüge, „um das Unrecht der Tat einsehen zu können“, sagte Gerichtsdirektor Michael Friedrichs. Wegen massiver Störung des Sozialverhaltens müsse er psychologisch betreut werden. Dem Vater entzog das Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Ermittler sprechen von einem „für Gewalt und Verrohung empfänglichen Milieu“, das kaum sozialisiert sei. „Für Neonazis ist es kein Problem solche Leute zu steuern“, sagte einer. Nach PNN-Informationen gab es seit Jahren Probleme bei der Erziehung, der Junge gilt als Intensivstraftäter auf der Suche nach Anerkennung, die er bei einer äußerst aktiven Gruppe von Rechtsextremisten mit dem Brandanschlag suchte. In Polizeikreisen hieß es bereits kurz nach Festnahme, wenige Tage nach der Tat am 22. Januar, der 16-Jährige habe dem Anführer der rechtsextremen Szene in der Region imponieren wollen.

Bekannt ist inzwischen der Tatablauf, auch durch das Geständnis des Jugendlichen. Er brach am späten Abend des 22. Januar zusammen mit dem 15-Jährigen und einem 13-Jährigen in den Flachbau ein. Der Älteste hatte eine Flasche mit Benzin und zwei Stücke Grillanzünder dabei, schüttete das Benzin über ein Bücherregal und zündete es an. Der 13-Jährige soll in einem anderen Raum den Flüssiganzünder verkippt und angesteckt haben. Weil der Junge aufgrund seines Altes noch nicht strafmündig ist, gibt es kein Verfahren gegen ihn. Der Flachbau brannt in der Nacht vollständig nieder, es entstand ein Sachschaden von 100 000 Euro.

Das Verfahren wegen Beihilfe zur Brandstiftung gegen den 15-Jährigen stellte das Gericht ein, weil dessen Tatbeitrag gering gewesen sei. Dagegen wird weiter gegen den 24-Jährigen Rädelsführer des Neonazis-Trupps, Daniel T., wegen der Anstiftung zu der Tat und zwei weitere Mitglieder ermittelt, eine geplante Straftat nicht angezeigt zu haben. Sie stehen im Verdacht, für eine ganze Serie rechtsextremer Attacken in Zossen verantwortlich zu sein.

Empört reagiert die Initiative „Zossen zeigt Gesicht“ auf das Urteil, es sei „eine Ermutigung für andere, es dem gleichzutun“, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur ddp. Es stehe zu befürchten, dass Rechtsextreme verstärkt Minderjährige für derartige Aktionen einsetzten. „Wir sind schockiert“, sagte der Sprecher. Es sei nicht mit seinem Rechtsverständnis vereinbar, dass das Zossener Gericht diesen Anschlag, der bundesweit Wellen geschlagen habe, nicht verurteilt habe. Auch sei es besorgniserregend, dass die möglichen Anstifter bislang ebenfalls nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.

Tatsächlich steht der 24–jährige Daniel T. seit längerem unter strenger Beobachtung der Ermittler, bei ihm laufen die Fäden der regionalen Szene zusammen. Zudem war der Brandanschlag Teil einer ganzen Reihe rechtsextremer Straftaten in Zossen. T. selbst soll bereits zuvor in das „Haus der Demokratie“ eingebrochen sein und die Räume verwüstet haben.

Am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, störten die Neonazis eine Gedenkfeier für die Opfer des Holocausts. Anfang März wurden in Zossen und Königs Wusterhausen zahlreiche Wände mit Hakenkreuzen beschmiert und „Stolpersteine“ mit dem Nazi-Symbol geschändet, sie erinnern an Juden, die das NS-Regime in Vernichtungslager verschleppen ließ. Auch Mitglieder der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ sind bereits mehrfach attackiert worden, teils mit konkreten Morddrohungen, Fensterscheiben gingen zu Bruch, Anfang Juni schlug der Brandanschlag auf das Auto eines Initiativen-Mitglieds fehl.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })