Brandenburg: Für Sekunden versagt
Ein Radfahrer muss nach der Attacke auf einen Rentner mehr als fünf Jahre ins Gefängnis
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Berlin - Als Radfahrer ballte Sebastian L. seine Faust „aus absolut nichtigem Anlass“, so urteilten nun die Richter. Ein 72 Jahre alter Fußgänger überlebte die Attacke auf dem Berliner S-Bahnhof Grünbergallee im Treptower Ortsteil Bohnsdorf nicht. Fünf Jahre und neun Monate muss der 39-jährige Angeklagte nun ins Gefängnis. L. sei der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. In einer „affektiv aufgeheizten Stimmung“ habe er zugeschlagen. Ohne Plan. „Es war ein Sekundenversagen“, sagte der Vorsitzende Richter.
Es war einzig und allein die Schuld des Angeklagten, ist das Gericht überzeugt. Sebastian L. ignorierte das Radfahrverbot auf dem Bahnhof. Er wollte zu einer Verabredung. Gut gelaunt war er am 6. August in die Unterführung gefahren. Er sei „mit hoher Geschwindigkeit“ unterwegs gewesen, hatten Zeugen später zu Protokoll gegeben. „Es gab ein Berühren, Touchieren“, heißt es im Urteil. Der 72-jährige Joachim B., der mit zwei Taschen voller Pfandflaschen unterwegs zum Supermarkt war, ging zu Boden. Er rappelte sich auf und lief entrüstet durch den Tunnel. Er wollte den Radfahrer zur Rede stellen.
Sebastian L. hatte im Prozess von einer Ohrfeige des Rentners gesprochen und einen Faustschlag zugegeben. Der Mann habe ihn verfolgt und beschimpft, den Tod habe er aber nicht gewollt, erklärte der Angeklagte. Letzteres glaubten ihm die Richter. Doch Sebastian L. habe sein Fahrrad abgestellt, als er den Rentner hinter sich hörte. Anschließend sei er ihm entgegengegangen und habe ihm Schläge verabreicht, „einer traf das Gesicht“. Joachim B. verlor bei dem Geschehen am Treppenaufgang das Gleichgewicht. Er stürzte zwölf Stufen tief und erlitt schwere Kopfverletzungen. Der Rentner starb fünf Tage später in einem Krankenhaus. Der Angreifer hatte sich aus dem Staub gemacht. Doch Sebastian L., ein Erwerbsunfähigkeitsrentner mit Vorstrafen, konnte zehn Tage später gefasst werden.
Die Berliner Staatsanwaltschaft war von einem Totschlag ausgegangen. Sie verlangte sieben Jahre Haft für den Radfahrer. Die Richter sahen den Fall anders. Ein Tötungsvorsatz habe nicht bestanden. Ein Faustschlag sei in der Regel nicht tödlich. Auch sei nicht erkennbar gewesen, dass der Rentner nach hinten fallen könnte.
Der Angeklagte hatte die Verfolgung durch den Rentner als Bedrohung dargestellt. Die Richter in Berlin fanden allerdings klare Worte: „Der Geschädigte durfte sich über den Angeklagten ärgern, es geht nicht, da mit dem Fahrrad zu fahren, der Mann wurde angefahren, er war im Recht.“ K.G.
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