
© Kai-Uwe Heinrich
Brandenburg: Gastronomen tricksen beim Mindeslohn
Im Brandenburger Hotel- und Gastrogewerbe gibt es zahlreiche Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Doch die ohnehin niedrige Zahl der Kontrollen geht weiter zurück.
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Potsdam - Zweieinhalb Jahre nach Einführung des Mindestlohns gibt es offenbar immer noch Schwierigkeiten bei der Durchsetzung. Das geht zumindest aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums an die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) hervor. Demnach wurden im Jahr 2016 in Brandenburg bei 192 kontrollierten gastronomischen Betrieben 70 Ermittlungsverfahren nach dem Mindestlohngesetz eingeleitet.
Die Zahlen stammen aus den beiden brandenburgischen Hauptzollämtern in Potsdam und Frankfurt (Oder). So wurden vergangenes Jahr vier Prozent weniger Betriebe in Brandenburg kontrolliert als noch 2015. Bundesweit gingen die Kontrollen noch deutlich stärker zurück, nämlich um 17 Prozent von 7287 auf 6030.
Gewerkschaft fordert Durchsetzung des Mindestlohns
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert die sinkenden Kontrollen im Gastgewerbe. Bei geschätzten 4000 Betrieben der Branche in Brandenburg seien 192 Kontrollen zu wenig. Für Uwe Ledwig, NGG-Geschäftsführer für die Region Berlin-Brandenburg, sind die „hohen Trefferquoten“ des Zolls im Gastgewerbe ein eindeutiges Zeichen dafür. Mehr Kontrollen würden seiner Meinung nach zu mehr Gesetzestreue führen. „Die Politik hat den Mindestlohn per Gesetz vorgeschrieben“, sagte Ledwig, „jetzt muss sie endlich dafür sorgen, dass er überall eingehalten wird.“ Ansonsten werde der Mindestlohn ausgehebelt.
Andreas Bernig, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Brandenburger Landtag, bezeichnete am Montag gegenüber den PNN den Versuch, den Mindestlohn zu umgehen, als „Schweinerei“. Auch er fordert, die Personalstärke der zuständigen Zoll-Einheit Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) aufzustocken. Fünf Prozent kontrollierte Betriebe sei zu wenig, meinte Bernig. Und: „Die Strafe muss auf dem Fuß folgen.“
Grundsätzlich bewertete er die Einführung des Mindestlohns aber als Erfolg. Allerdings mahnte er auch an, dass 8,84 Euro Stundenlohn nicht für eine gegen Armut absichernde Rente ausreichen würden. Auch müsse in Brandenburg jenseits der Minimalabsicherung ein politisches Klima für eine möglichst hohe Tarifbindung und gute Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
Wettbewerb um Fachkräfte in Brandenburg
Dieses Ziel verfolgt nach eigenen Angaben auch der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Brandenburg. Hauptgeschäftsführer Olaf Lücke unterstreicht die Unterstützung des Mindestlohns durch seinen Verband. „Jeder muss von seiner Arbeit leben können“, sagte er den PNN. Der Mindestlohn habe zu einer Erhöhung des Lohngefüges in Brandenburg geführt. „Das bewerten wir positiv“, sagte Lücke. Schließlich könne man Fachkräfte nur mit vernünftigen Löhnen gewinnen. In der Vergangenheit hatte nicht zuletzt die Gastronomie über Schwierigkeiten bei der Nachwuchssuche geklagt.
Der Dehoga zählt in Brandenburg etwa 1300 Mitglieder, vor allem die Betriebe, die mehr als ein oder zwei Mitarbeiter haben. Die Rückmeldungen aus den Mitgliedsunternehmen seien nach der Einführung des Mindestlohns weitgehend positiv gewesen, versichert Lücke. Es habe seines Wissens nur wenige Verstöße gegeben.
Bei den Ermittlungsverfahren müsse man auch unterscheiden: Wann werde systematisch der Mindestlohn umgangen und wann handelt es sich vielleicht um einzelne Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht? Tatsächlich legen die Zahlen des Bundesfinanzministeriums nahe, dass mehr als die Hälfte der 70 eingeleiteten Ermittlungsverfahren in Brandenburg in letztere Kategorie fallen. „Man darf nicht pauschalisieren“, sagt Lücke.
Tricksen beim Mindestlohn
Gewerkschafter Ledwig will diese Begründung jedoch nicht gelten lassen. Dass weniger Stunden aufgeschrieben werden als tatsächlich gearbeitet, sei weniger ein Fehler als eine Manipulation, mit welcher der Mindestlohn umgangen werde. Weitere Tricks seien beispielsweise abstruse Abzüge für Arbeitsschürzen oder Kopfbedeckungen. Auch würden Bezieher von staatlichen Leistungen, die einer Arbeit nachgehen, sogenannte „Aufstocker“, häufig falsch abgerechnet. Die Zahlen seien kein Zufall, so Ledwig, „das ist ein Problem der Branche“.
Die Zahlen scheinen das zu belegen. Auf das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe fällt etwa die Hälfte aller eingeleiteten Ermittlungsverfahren nach dem Mindestlohngesetz in Brandenburg 2016. Und das, obwohl beispielsweise im Baugewerbe mehr als doppelt so viele Kontrollen durchgeführt wurden. Weder der Zoll, noch das Bundesfinanzministerium waren am Montag für eine Stellungnahme zu erreichen, warum die Kontrollen im Gastgewerbe rückgängig sind.
Martin Anton
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