Brandenburg: „Gemeinsinn und Erneuerung“
Rot-roter Koalitionsvertrag setzt weitgehend auf Fortsetzung des bisherigen Kurses, mit einigen sozialeren Akzenten
Stand:
„Gemeinsinn und Erneuerung – ein Brandenburg für alle“, lautet die Überschrift des rot-roten Koalitionsvertrages, der am Mittwochabend erstmals in den Landesvorständen von SPD und Linkspartei im Land diskutiert wurde. Eine Zustimmung zum 55-Seiten-Werk galt als sicher. Die wichtigsten Vereinbarungen:
PRÄAMBEL
Rot-Rot verspricht eine offene Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit: „Eine Verklärung der SED-Diktatur wird es nicht geben. Wir werden die Lehren der Geschichte umfassend beherzigen und weitergeben. Unser Respekt und unsere Zuwendung gelten den Opfern der Diktatur.“ Mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft will die Koalition durch eine „vorsorgende Gesellschaftspolitik“ eine nur „nachsorgende Sozialpolitik“ zunehmend „überflüssig“ machen. „Mit Armut werden wir uns nicht abfinden.“ Allerdings müsse „erarbeitet und erwirtschaftet werden“, was verteilt werden soll.
BILDUNG
Rot-Rot führt keine Studiengebühren und keine Gemeinschaftsschule ein, macht keine neue Schulstrukturreform. Die sechsjährige Grundschule bleibt erhalten. Die Lehrer-Schüler-Relation soll trotz bald wieder steigender Schülerzahlen bei 1:15,4 gehalten werden. 1250 Lehrer werden neu eingestellt, der beschlossene Abbau von Stellen wird gestoppt. In den Krippen wird der Betreuungsschlüssel von 1:7 auf 1:6 verbessert und in den Kitas von 1:13 auf 1:12. Abiturienten aus einkommensschwachen Haushalten erhalten ein Schüler-BAföG. In dünn besiedelten Regionen können „an Oberschulen 7. Klassen bereits mit zwei mal 12 Kindern eingerichtet werden, damit Schulwege nicht zu lang werden“. Die Schulvisitation, also der „Schul-TÜV“ durch externe Experten wird fortgesetzt. Der Breiten- und Leistungssport wird auch in Zukunft mit 15 Millionen Euro pro Jahr unterstützt.
WIRTSCHAFT
Die von Rot-Schwarz eingeleitete Förderpolitik nach dem Motto „Stärken stärken“, die das frühere Gießkannenprinzip beendet hat, wird ausgebaut. Statt 17 soll es weniger besonders geförderte Schwerpunktbranchen geben. Ein Vergabegesetz soll Mindestlöhne bei öffentlichen Aufträgen vorschreiben. Der Flughafen (BBI) in Schönefeld bleibt wichtigstes Infrastrukturvorhaben. Aufgabe sei, „effektiven und passiven Lärmschutz zu gewährleisten“. „Wichtiges Schaufenster für die Luft- und Raumfahrtbranche bleibt die Internationale Luftfahrtausstellung ILA.“ Eine Aussage zum militärischen Teil der ILA findet sich nicht. Die Koalition will Bürokratie, die Unternehmen belastet, reduzieren.
ENERGIE
Brandenburgs Spitzenplatz bei erneuerbaren Energien soll ausgebaut werden. Es soll ein Landeskataster über die Potenziale erneuerbarer Energien erstellt werden. Bei der Windkraft haben leistungsstärkere Rotoren an vorhandenen Anlagen Vorrang vor neuen Windparks. Neuanlagen sollen 1000 Meter Abstand zum nächsten Ort haben. Rot-Rot setzt weiter auf Braunkohle zur Energiegewinnung. Dies sei „solange erforderlich“, bis der Industriestandort Deutschland seinen Energiebedarf sicher und zu wettbewerbsfähigen Preisen aus erneuerbaren Energien decken“ kann. Rot-Rot will die CCS-Technologie, die auf Abscheidung und unterirdische Speicherung des Kohlendioxids setzt, erforschen und erproben. Neue Kraftwerke soll es nur geben, wenn CCS gelingt und Vattenfall sich verbindlich über öffentlich-rechtliche Verträge zur Senkung des CO2-Ausstoßes bei seinen Kraftwerken verpflichtet. Die Koalition drängt im Bund auf den Atomausstieg.
ARBEITSMARKT/GESUNDHEIT
Rot-Rot betreibt eine „aktive Arbeitsmarktpolitik“. Bis 2014 will man 8000 öffentlich geförderte, sozialversicherungspflichtige Jobs schaffen, „im gemeinwohlorientierten Bereich“. Mit dem Programm „unter Nutzung der Bundesmittel“, für das 40 Millionen Euro bereitgestellt werden, „dürfen keine regulären Beschäftigungsverhältnisse“ verdrängt werden. Bis 2014 werden Krankenhäuser für 400 Millionen Euro modernisiert. Die Telemedizin wird ausgebaut. Die Koalition setzt sich im Bund für eine Ost-West–Angleichung der Renten ein. In Gebieten mit ärztlicher Unterversorgung soll es wieder die Gemeindeschwester geben.
VERWALTUNG
Im Landesdienst wird bis 2019 jede fünfte Stelle (derzeit 52000) gestrichen. In einem ersten Schritt wird die Zahl der Stellen bis 2014 auf 45 500 gesenkt. 2019 soll es nur noch 40 000 Stellen geben. Betriebsbedingte Kündigungen gibt es nicht, da der Personalabbau über Altersabgänge allein verläuft. Damit der öffentliche Dienst leistungsfähig bleibt, soll es eine gezielte Einstellungspolitik geben, vor allem bei Lehrern. Die derzeitigen rund 600 Polizei-Azubis werden übernommen. Ansonsten bleiben die Aussagen zur Personalpolitik dazu eher allgemein.
INNERES/JUSTIZ
Die unter Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) eingeführte Handyortung und die automatische Kennzeichenfahndung kommen auf den Prüfstand. Der öffentliche und private Datenschutz wird eine Behörde. „Die Koalition hält eine flächendeckende Kreisgebietsreform nicht für notwendig.“ Freiwillige Kommunal-Zusammenschlüsse werden gefördert. Rot-Rot prüft ein Kommunalwahlrecht ab 16 Jahren. Außerdem soll zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum die Privatisierung kommunaler Betriebe gestoppt werden. Vor allem die Dauer der Verfahren an Sozialgerichten soll verkürzt werden. Dazu sollen mehr Sozialrichter beschäftigt werden. Die in der vergangenen Legislaturperiode angestrebte Amtsgerichtsreform kommt wieder auf die Tagesordnung.
WISSENSCHAFT, FORSCHUNG, KULTUR
Die Koalition will demnach Hochschulen und Forschung weiter stärken, da dies „zentrale Bausteine“ für die Entwicklung des Landes seien. Die Ausgaben für den Sektor sollen daher beibehalten werden. In dem Papier werden für die kommenden fünf Jahren über 200 Millionen Euro Investitionen für die Hochschulen und die außeruniversitäre Forschung genannt, zudem stünden 12 Millionen Euro bereit, um die Zahl der Studienplätzte stabil zu halten. Studiengebühren sollen für das Erststudium bis zum Master-Abschluss keine erhoben werden. Zudem heißt es: „Jeder Studierende mit einem Bachelor-Abschluss muss die Chance haben, einen Masterstudiengang zu belegen. Exzellenzcluster und Graduiertenschulen will die Koalition fördern, Ansiedlungen in der Klima- und Energieforschung unterstützen. Zur Kultur heißt es unter anderem, dass man sich dafür einsetzen will, die Förderung der Kultur im Grundgesetz zu verankern. (thm/Kix)
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