Brandenburg: „Gesetz bietet Möglichkeiten einzugreifen“ Wissenschaftler: Jugendämter überlastet
Hätte das Jugendamt im Fall der vier Kinder nicht früher eingreifen können?Die Familie wurde laut Jugendamt seit 1998 intensiv betreut, aber konkret kann ich mich zu diesem Fall nicht äußern, da ich ihn nicht kenne.
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Hätte das Jugendamt im Fall der vier Kinder nicht früher eingreifen können?
Die Familie wurde laut Jugendamt seit 1998 intensiv betreut, aber konkret kann ich mich zu diesem Fall nicht äußern, da ich ihn nicht kenne. Doch generell lässt sich sagen: Seit 1990 regelt unser bundesweit gültiges Kinder- und Jugendhilfegesetz alle Hilfs- und Eingriffsmöglichkeiten. Es gilt weltweit als vorbildlich, weil es Wert auf den Schutz der Privatsphäre, auf die Kooperation mit den Eltern und den Erhalt der Familie legt. Zugleich regelt es aber auch eindeutig , wie man Kinder schützen soll und sie in Obhut nehmen kann, falls ihr Wohl gefährdet ist.
Was kann ein Sozialarbeiter tun, wenn er diesen Verdacht hat?
Falls konkrete Hinweise auf eine Gefährdung vorliegen und der Zugang zur Wohnung verwehrt wird, können die Sozialarbeiter über das Familiengericht und eventuell mit Polizeihilfe durchsetzen, dass die Tür geöffnet wird. Doch ein qualifizierter Sozialarbeiter hat zuvor viele andere Möglichkeiten, auch mit unkooperativen Familien in Kontakt zu kommen. Schon unsere Studierenden lernen Methoden, zum Beispiel, wie man Eltern durch eine geschickte Adressierung dazu bringt, einen Brief nicht wegzulegen, sondern neugierig zu öffnen. Aber in der Praxis fehlt oft die Zeit, immer wieder die Brücke zur Familie zu bauen.
Wieso?
Die Jugendämter sind stark überlastet. Seit etlichen Jahren dürfen sie keine neue Fachkraft mehr einstellen. Ein Sozialarbeiter betreut in der Regel bis zu 80 Familien, mindestens zwölf davon sind erfahrungsgemäß schwierig. Auf seinem Tisch landen ständig Meldungen über möglicherweise vernachlässigte Kinder, er muss die Familiensituation klären, Hilfskonzepte vorschlagen und sie koordinieren.
Was muss geschehen?
Der Stellenstopp muss weg. Die Jugendämter brauchen mehr Fachkräfte, unqualifizierte Leute aus dem Stellenüberhang des Senats helfen nicht. Außerdem brauchen wir eine unabhängige Fachkommission, die gravierende Fälle untersucht.
Das Gespräch führte Christoph Stollowsky
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