Brandenburg: Gewalt hinter Gittern
Die Staatsanwaltschaft Potsdam erhebt Anklage gegen 13 Bedienstete der JVA Brandenburg
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Die Staatsanwaltschaft Potsdam erhebt Anklage gegen 13 Bedienstete der JVA Brandenburg Potsdam - Der Fall dürfte bundesweit einmalig sein: Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat jetzt Anklage gleich gegen 13 Bedienstete der JVA Brandenburg an der Havel erhoben, weil sie einen Gefangenen misshandelt haben sollen. Das hat ein Sprecher des Justizministeriums, das wegen der Brisanz die Pressehoheit übernommen hat, gestern dieser Zeitung bestätigt. Die Übergriffe, die die Beamten nun auf die Anklagebank bringen, liegen bereits einige Jahre zurück. Es geht um den Häftling Matthias D., der am 4. und 5. März 1999 in einer Arrestzelle mehrfach brutal zusammengeschlagen worden sein soll. Seine Eltern hatten bereits im Mai 2004 dem RBB-Magazin „Klartext“, das damals die Misshandlungen von Gefangenen in der Haftanstalt Brandenburg aufdeckte und die „Knast-Affäre“ auslöste, erklärt: „Ich habe bald mein eigenes Kind nicht wieder erkannt. Die Stirn zerschlagen, Platzwunden.“ Daraufhin waren die Ermittlungen wieder aufgenommen worden. Eine frühere Strafanzeige von D., der allerdings auch als aggressiv galt, war im Sande verlaufen. Das Justizministerium nehme den Fall Matthias D. sehr ernst, so der Sprecher. Man habe „mit Nachdruck“ zur Aufklärung beigetragen. „Wir haben sogar über Interpol einen ehemaligen Häftling in Osteuropa suchen lassen, damit er vor Gericht als Zeuge aussagen kann.“ Gegen die 13 Bediensteten, die innerhalb der JVA in Bereiche ohne direkten Kontakt zu Häftlingen versetzt wurden, sind auch Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Mit der Anklage gegen die 13 Männer und Frauen haben sich erneut Vorwürfe gegen Bedienstete der JVA Brandenburg erhärtet, die bereits seit Jahren für Schlagzeilen sorgen: Wegen unterlassener Hilfeleistung bei einem kranken Insassen, der einen Herzinfarkt erlitt, sind kürzlich ein Arzt und ein Sanitäter der Anstalt angeklagt worden. Zwar hat sich bei den Ermittlungen nicht bestätigt, dass es auch systematische „Rollkommandos“ vermummter Bediensteter gab, die Gefangene regelmäßig misshandelten. Wegen dieser Vorwürfe war die Haftanstalt vorigen Frühsommer als „Folterknast“ bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Doch sind inzwischen acht weitere Bedienstete der JVA angeklagt, weil sie sich von Gefangenen für private Zwecke Gartengrills, Räucheröfen aus Edelstahl und andere Utensilien herstellen ließen. Erst Ende Januar 2005 geriet die JVA Brandenburg durch die Flucht eines Strafgefangenen erneut in die Schlagzeilen: Obwohl verschärfte Bewachung angeordnet war, konnte der wegen räuberischer Erpressung zu mehreren Jahren Haft verurteilte Häftling Gino Krüger aus dem Stadt-Klinikum fliehen, wo er ärztlich stationär behandelt wurde. Seine beiden Bewacher hatten versäumt, ihn zu fesseln. Krüger befindet sich nach wie vor auf der Flucht. Justizministerin Beate Blechinger räumte kürzlich im Justiz-Ausschuss des Landtages ein, dass die Flucht nur durch „schwere Fehler der Bewacher“ möglich war. Die PDS-Opposition beklagt seit langem „strukturelle Fehlentwicklungen“ in dieser Anstalt. Anstaltsleiter Hermann Wachter, den die frühere Justizministerin Barbara Richstein (CDU) abgelöst und versetzt hatte, ist inzwischen wieder im Amt.
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