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Spielzeug einer Potsdamer Kita.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Gewalt in Brandenburger Kitas: Teils deutlich mehr Übergriffe gemeldet

Das Bildungsministerium leitet daraus aber nicht unbedingt einen tatsächlichen Anstieg ab – und verweist auf eine höhere Sensibilität bei Erziehern und Eltern.

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Aus Brandenburgs Kitas sind im vergangenen Jahr mehr Missstände gemeldet worden als noch 2021. Laut Bildungsministerium wurden 82 Verdachtsfälle von übergriffigem Verhalten von Beschäftigten gegenüber Kindern bekannt. Im Jahr 2021 waren es noch 56 Fälle. Einen deutlichen Anstieg gab es auch bei Meldungen über einen Verdacht übergriffigen Verhaltens unter Kindern - von 22 Meldungen im Jahr 2021 auf 57 Meldungen in 2022. Bei Verdachtsfällen von sexuell übergriffigem Verhalten von Erwachsenen gegenüber Kindern sanken die Meldezahlen von vier im Jahr 2021 auf drei im Jahr 2022.

Ein tatsächlicher Anstieg an Ereignissen mit kindeswohlgefährdender Relevanz lasse sich aus diesen Zahlen aber nicht sicher ableiten, betonte eine Sprecherin des Bildungsministeriums. Aus Sicht des Hauses hätten das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) sowie eine höhere Sensibilität bei Erziehern und Eltern zu einem erhöhten Meldeverhalten beigetragen.

Geschärftes Problembewusstsein

Die erhöhte Aufmerksamkeit lasse den verzeichneten Anstieg an gemeldeten Verdachtsfällen von 2021 zu 2022 zumindest teilweise plausibel erscheinen. Das Ministerium habe im Juli 2021 Einrichtungen, Träger und Jugendämter darüber informiert, dass das KJSG in Kraft getreten sei und damit die Verpflichtung, Gewaltschutzkonzepte zu erstellen und Beschwerdemöglichkeiten zu etablieren, einhergehe. Dies habe zu einer Schärfung des Problembewusstseins und einer Steigerung des Meldeverhaltens geführt.

Im Januar war der Fall einer Potsdamer Kita bekannt geworden. Dort gab es Vorwürfe gegen zwei Erzieherinnen, Kinder eingesperrt zu haben. Den Erzieherinnen sei gekündigt worden, sagte der Vorstandsvorsitzende der Hoffbauer-Stiftung, Frank Hohn, der Deutschen Presse-Agentur. Sie sollen Kinder auch gezwungen haben, auf die Toilette zu gehen. Es handele sich um bis zu fünf Kinder. Hohn sprach von „subtilerer Art von Gewalt“. Es seien keine Kinder geschlagen worden. Neben den beiden gekündigten Erzieherinnen hätten auch zwei weitere Erzieherinnen die Kita verlassen.

Fraktionen setzten sich für besseren Schutz vor Gewalt ein

Im brandenburgischen Landtag setzen sich fünf Fraktionen mit einem gemeinsamen Antrag für einen besseren Schutz von Kindern vor Gewalt und Mobbing in Schulen und Kindertagesstätten ein. Bei Verdacht auf Gewalt fehle es in den Einrichtungen noch zu oft an Wissen, Ressourcen, gut funktionierenden Netzwerken und klar definierten verlässlichen Abläufen, heißt es in dem Antrag, den die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, Linken und BVB/Freien Wählern in einer gemeinsamen Mitteilung am Sonntag ankündigten. Daher sollen die Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen verbessert und Schutzkonzepte gesetzliche Pflicht werden. Auch soll es mehr Kooperationen mit Kliniken geben.

Fehlverhalten gebe es in jedem Beruf, sagte Kinderschutzexperte Jörg Maywald. „In jedem pädagogischen Beruf muss man davon ausgehen, dass das Ideal einer gewaltfreien Erziehung nicht umfassend gelebt wird und wir uns immer anstrengen sollten, besser zu werden“, so Maywald. Die Sensibilität und die Standards seien aber gestiegen. Für Fehlverhalten gebe es ganz selten nur einen Grund. „Meistens gibt es eine Kombination aus mehreren Gründen. In praktisch allen Fällen spielt auch individuelles Versagen eine Rolle. Es ist selten so, dass sich ein ganzes Team daneben benimmt“, so Maywald.

Es müsse offen über Fehlverhalten gesprochen werden, so seine Forderung. Wenn man davon ausgehe, dass in jeder Kita, an jedem Tag Fehlverhalten vorkomme, dann dürfe das nicht tabuisiert werden. „Eine Fachkraft, die so etwas bei Kollegen feststellt, darf nicht das Gefühl haben, wenn ich das jetzt der Leitung mitteile, hat das etwas mit Petzen zu tun“, so der Kinderschutzexperte. (dpa)

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