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Von Alexander Fröhlich: Gewerkschaft befürchtet Aus für Frankotyp Postalia

IG Metall: Frankiermaschinenhersteller stellt Standort infrage. Mitarbeiter demonstrieren in Berlin

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Berlin/Birkenwerder – Es war ein Berliner Traditionsunternehmen, das da 1994 nach Birkenwerder bei Oranienburg zog: Frankotyp Postalia, Deutschlands führender Anbieter von Frankiermaschinen. Jetzt sieht die IG Metall das Unternehmen im Landkreis Oberhavel, das mittlerweile auch Postdienstleistungen anbietet, bedroht. Die Rede ist von Heuschrecken.

70 Beschäftigte protestierten deshalb am gestrigen Dienstag vor dem Ludwig-Erhard-Haus in Berlin-Charlottenburg, wo die Aktionäre ihre Hauptversammlung abhielten. Die IG Metall befürchtet, dass die Produktion und die Werkstatt für Frankiermaschinen nach Thüringen zu einem Konkurrenten ausgelagert werden, die ersten Kündigungen seien bereits ausgesprochen. Insgesamt 90 Arbeitsplätze von 380 in Birkenwerder seien akut bedroht, sagte der Vorsitzende des Betriebsrats Wolfgang Kutz. Der gesamte Standort werde infrage gestellt. Deutschlandweit treffe dies etwa 500 Arbeitnehmer.

Dicke Luft ist schon länger bei Frankotyp Postalia. Seit Anfang des vergangenen Jahres befindet sich das Unternehmen im Umbau. Solange schwebt auch die Ankündigung von Stellenstreichungen bereits über Birkenwerder. Mehrere Verhandlungsrunden zwischen Vorstand und Gewerkschaft zur Zukunft des angeschlagenen Unternehmens waren bislang aber gescheitert, zuletzt im Mai. Nun hat die Unternehmensführung für Donnerstag letztmalig ein verhandlungsfähiges Angebot von den Arbeitnehmern verlangt. Die IG Metall ist zu einem zeitlich begrenzten Verzicht bei der Vergütung, aber auch zu Kurzarbeit bereit. Nach Angaben der Gewerkschaft lehnt Frankotyp Postalia dies ab und verlangt jährlich Einsparungen von 4,5 Millionen Euro bei den Personalkosten. Ein Viertel der Belegschaft soll gehen, die übrigen Mitarbeiter sollen auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie auf 25 Prozent ihres Gehalts verzichten, dafür soll es eine Arbeitsplatzgarantie für zwei Jahre geben. Ein Teil der Beschäftigten aus Berlin ist noch nach alten Tarifverträgen mit einer 35-Stunden-Woche ausgestattet, für die Geschäftsführung sind die Kosten dafür viel zu hoch.

Die Gewerkschaft macht für die aktuelle Misere einen Investmentfonds namens Quadriga Capital verantwortlich, der 2005 den Frankiermaschinenhersteller – weltweit die Nummer drei – aufkaufte. Kaufsumme und Beraterkosten von 100 Millionen Euro seien dem Unternehmen entzogen worden, das verschuldete Unternehmen dann 2006 an die Börse gebracht. Unternehmenssprecherin Sabine Prüser wies die Vorwürfe gestern zurück. Die Annahme, die aktuelle Situation sei einzig durch die Quadriga Capital verschuldet, „greife zu kurz“. 2008 habe das Unternehmen ein deutlich negatives Geschäftsergebnis erwirtschaftet, so Prüser. Im Vergleich zu 2007 sanken die Umsätze im Kerngeschäft, dem Verkauf von Frankiermaschinen, um fast zehn Millionen Euro. Inzwischen ist auch der Kurs der Aktien von knapp 20 Euro auf zwischenzeitlich 50 Cent gefallen, derzeit bewegt er sich bei über einem Euro. Quadriga Capital hält eine Sperrminorität von über 26 Prozent.

Auch die Aktionäre sind unzufrieden mit Aufsichtsrat und Vorstand, mehrere Redner kritisierten auf der turbulenten Hauptversammlung die häufigen Wechsel an der Unternehmensspitze. Es liege kein tragfähiges Konzept vor. Zudem äußerten Aktionärsschützer den Verdacht, dass Quadriga Capital auf Kosten von Frankotyp Postalia enorme Profite erzielen wolle. Bei der Hauptversammlung war auch eine Übernahme durch den französischen Konkurrenten Neopost im Gespräch.

Für die Ansiedlung in Birkenwerder erhielt Frankotyp Postalia damals eine Förderung in Höhe von 6,9 Millionen Euro vom Land Brandenburg. (mit mat)

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