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Brandenburg: Gewerkschaft warnt vor „Abzock-Polizei“

486000 Temposünder wurden 2004 geblitzt – so viel wie noch nie / Bilanz: Weniger Unfälle, weniger Tote / Schönbohm will Aktion fortsetzen

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486000 Temposünder wurden 2004 geblitzt – so viel wie noch nie / Bilanz: Weniger Unfälle, weniger Tote / Schönbohm will Aktion fortsetzen Potsdam - Autofahrer in Brandenburg sollten auf der Hut sein: Die Polizei geht so rigide wie wohl nirgendwo sonst in der Bundesrepublik gegen Verkehrssünder vor – es wird geblitzt an allen Ecken. Allein von Januar bis Juni 2004 wurden auf Brandenburgs Straßen 486 615 Raser zur Kasse gebeten – das sind 156 000 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 11 900 Autofahrer, das entspricht der Bevölkerung einer Kleinstadt, mussten ihren Führerschein abgeben – 3900 mehr als 2003. „Die fahren immer so“, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bei der Vorstellung der aktuellen Unfallstatistik für das erste Halbjahr 2004. „Doch jetzt werden sie erwischt.“ Innenminister Schönbohm kündigte an, dass der „flächendeckende Überwachungsdruck“ fortgesetzt wird. Ein Nebeneffekt: Brandenburg kann in diesem Jahr mit dem bisherigen Rekord an Bußgeldern rechnen. Es gilt als sicher, dass die 38 Millionen Euro aus dem Vorjahr weit übertroffen werden. Doch das von Schönbohm durchgesetzte rigide Vorgehen ist umstritten. Der ADAC fordert seit längerem, die Kontrollen vor allem auf Unfall- und Gefahrenstellen zu konzentrieren. Auch der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Schuster, sieht den Blitzer-Krieg problematisch. „Wir laufen Gefahr, zur Abzockpolizei zu werden“, warnt Schuster. Schon jetzt sei der Druck auf die Polizeibeamten groß, für hohe Bußgeldeinnahmen zu sorgen. Es habe Schutzbereiche wie Potsdam mit präzisen Zielvorgaben für den einzelnen Beamten – 175 Euro pro Tag – gegeben. Es werde auch darauf orientiert, möglichst sofort abzukassieren, so Schuster. „Nach dem Motto: Nur Bares ist Wahres.“ Es schade jedoch dem Ruf der Polizei, wenn sich der Eindruck verfestige, dass es mehr ums Geld als um die Verkehrssicherheit gehe. Tatsächlich profitiert das Innenministerium direkt davon, wenn die Bußgelder sprudeln. Eine Vereinbarung mit dem Finanzministerium sieht vor, dass Schönbohms Ressort, wenn die Polizei mehr Bußgelder als geplant einnimmt, die Hälfte der Mehreinnahmen für den eigenen Etat verwenden darf. Der Innenminister kündigte eine weitere Ausweitung der Kontrollen an: So sollen auf den Bundesautobahnen demnächst stationäre Blitzgeräte installiert werden. Schönbohm verteidigte den hohen Überwachungsdruck mit den nach wie vor hohen Unfallzahlen in Brandenburg, das in der bundesweiten Unfallstatistik neben Mecklenburg-Vorpommern weiterhin das Schlusslicht bildet. Die massiven Kontrollen verfehlen offenbar ihre Wirkung nicht. „Eine Trendumkehr ist erreicht“, betonte Schönbohm. Denn im ersten Halbjahr 2004 gingen die Unfallzahlen weiter zurück, womit ein seit einigen Jahren spürbarer Trend sich fortsetzt. So sei die Zahl der Verkehrstoten um 31 auf 134 gesunken. Verletzt wurden 5921 Menschen, 799 Personen weniger als im Vorjahr. Insgesamt ereigneten sich 41 247 Unfälle und damit 752 weniger als im ersten Halbjahr 2003. Schon 2003 hatte es die wenigsten Verkehrstoten, die wenigsten Unfälle in der Geschichte des Landes seit 1990 gegeben – beim bisher höchsten Kraftfahrzeugbestand mit 1,6 Millionen Fahrzeugen. Starben 1991 noch fast eintausend Menschen, waren es 2003 nur 330 Unfalltote. Überschattet wurde die Bilanz von drei schweren Unfällen in der Nacht zum Donnerstag, bei denen drei Tote – darunter ein 15-jähriges Mädchen – zu beklagen waren. (siehe Polizeibericht)

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