zum Hauptinhalt

Brandenburg: Gipfeltreffen am Liepnitzsee

Sonst klettern sie im Himalaya. Doch an diesem Wochenende treffen sich Globetrotter zum Zelten in Brandenburg

Wandlitz. Die Kälte kriecht über die Zehenspitzen und die Fußsohlen nach oben. Jetzt wenigstens die Finger wärmen! Doch es hilft nicht, den Becher heißen Tee fester zu umklammern – der ist wie eine Thermoskanne isoliert und spendet nur wenig Wärme. Erbarmungslos sickert die Nässe durch die Jacke. Genau das richtige Wetter, um sich im Bett umzudrehen oder in die Wanne zu steigen. „Ach was, das ist doch harmlos“, sagt Frank Nikoleit.

Der Mann aus Pankow ist wie die rund 250 Weltenbummler, Kletterer, Abenteurer und Naturfreaks beim „Aussteiger“-Wintercamp am Liepnitzsee noch ganz andere Bedingungen gewohnt. Seit Freitag schlagen Traveller und Naturburschen im Wald ihre Zelte auf, treten mit dickem Bergsteigerschuhwerk von einem Fuß auf den anderen, versenken die feuchten Hände in den großen Taschen atmungsaktiver Outdoorjacken und schwärmen von ihren Reisen. Sonst trotzen sie in unberührter Wildnis der Natur – aber jetzt suchen einige von ihnen dicht an dicht unter einer Regenplane Schutz. So kommt man sich näher. „Die Leute wollen hier Gleichgesinnte kennenlernen, mit denen sie die nächste Tour planen können“, sagt Mario Bornschein. Der Chef des Ausrüsterladens „Der Aussteiger“ lädt bereits im achten Jahr Globetrotter aus Görlitz und Gera, Köln und Neukölln zum Wintercamp ins brandenburgische Flachland.

Frank Nikoleit ist schon zum vierten Mal dabei. Der 36-Jährige nimmt Wolkenbrüche und Temperaturen um Null mit links. Sonst ist er in Ecuador unterwegs oder am Island Peak im Himalaya auf über 6000 Meter. Seinen Schlafsack rollt er auch bei 25 Grad aus – minus. Da muss das hier doch Kleinkram sein? Naja, sagt Frank lächelnd, auch beim „Aussteiger“-Treffen müsse man gewisse Abenteuer bestehen. „Erinnert ihr euch noch an dieses Spiel, als einer von uns bei Eiseskälte zu dem Boot im Liepnitzsee schwimmen musste, um von dort eine Bierflasche an Land zu holen?“, wirft Uwe Morgenstern aus Hohenschönhausen ein. Im Großstadtleben verdient der 34-Jährige sein Geld als Buchhalter. Amüsant sei auch diese Bläsertruppe vom Bodensee gewesen, die vor ein paar Jahren bei Schnee und minus zehn Grad am Lagerfeuer einheizte. Für Samstagabend war eine Dudelsacktruppe aus Mecklenburg-Vorpommern angekündigt. Zunächst aber geht es kräftig zur Sache: Die Männer bearbeiten Stämme mit der Säge – sie sollen später den Nachthimmel als kanadische Baumfackeln erleuchten.

Auch der Nachwuchs wird geschult: Mit Negerkusswurfmaschine und Kistenklettern. Denn zum Wintertreffen bringen immer mehr Eltern ihre Kinder mit. Auch der dreijährige Erik trainiert für später, er übernachtet wie seine Mutter im Zelt. Uwe hat diesmal wegen der Nässe seine zweijährige Tochter Hannah zu Hause gelassen. „Letztes Jahr war sie mit im Schnee, schön warm im Kinderwagen eingewickelt. Im Zelt bekommt sie ein Schafsfell unter den Schlafsack: alles kein Problem.“ Und für den Notfall gebe es das beheizte „Wickelzelt“.

Derweil planen Frank und Uwe die nächste Paddeltour in Brandenburg – für Februar. Denn auch hier gebe es noch genug Natur zu erleben. Uwe: „Man muss nur die Umgebung von Dörfern, Gasthäusern und Kneipen meiden – dann ist es oft menschenleer in diesem Land.“

Annette Kögel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false