Brandenburg: Glaubenskrieg im Landtag
Linke–Abgeordneter Peer Jürgens drängt darauf, dass im CDU-Fraktionsraum das Christus-Kreuz abgenommen wird, wenn dort Ausschüsse tagen
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Potsdam - Brandenburgs Landtag hat plötzlich einen „Kruzifix“-Streit: Es geht um das schlichte Christus-Kreuz im Saal der CDU-Landtagsfraktion, ganz oben unterm Dach des „Kreml“, im Raum 433. Es ist das einzige religiöse Symbol, das immer im Gebäude hängt. Nicht einmal der Andachtsraum das Parlamentes hat bislang eins, weil er auch für andere Zwecke genutzt wird. Das Parlament muss sich nun mit einem brisanten Linke-Vorstoß befassen, dass künftig das Kreuz im Unions–Saal abgenommen wird, wenn dort Ausschüsse tagen. Das ist, da im Landtagsprovisorium Raumnot herrscht, regelmäßig der Fall. Die Union ist empört.
Dass Parlaments-Vizepräsidentin Gerrit Große (Linke) das Kreuz mit dem Kreuz zum Thema im Landtagspräsidium machen wird, geht auf eine Beschwerde des 30-jährigen Linke-Abgeordneten Peer Jürgens zurück. Der drängt auf eine „grundsätzliche Klärung“, wie Jürgens am Montag den PNN bestätigte. „Ich bin jüdischen Glaubens, aber auch als Atheist hätte ich ein Problem damit“. Der Staat habe schließlich nicht „nur ein parteipolitisches, sondern auch ein weltanschauliches Neutralitätsgebot“. Dies werde hier verletzt, da mit dem Kreuz „eindeutig eine weltanschauliche Position bezogen“ werde. So wie Parteipropaganda verschwinden müsse, wenn Fraktionsräume vom Landtag genutzt werden, wenn etwa bei Tagungen der Enquete-Kommission zur SED-Dikatur im SPD-Saal die SPD-Schilder umgedreht würden, müsse dies auch für das Kreuz gelten.
In diesem Zusammenhang erwähnt Jürgens das „Kruzifix“-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, bei dem es um eine ähnliche Problematik ging. Die Karlsruher Richter hatten 1995 Teile der Bayerischen Volksschulordnung von 1983 für verfassungswidrig und nichtig erklärt, nach denen in jedem Klassenzimmer ein Kruzifix oder zumindest ein Kreuz anzubringen war. Die Richter hatten eine Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebotes moniert. „Mir geht es nicht darum, das Kreuz zu verbieten. Was Fraktionen in ihren Räumen tun, ist deren Sache. Mir geht es um öffentliche Sitzungen des Landtages“, so der Abgeordnete.
Im Wissenschaftsausschuss, der jüngst erstmals im CDU-Raum getagt hatte, war es letzte Woche zum Eklat gekommen. Als Jürgens dort erklärte, dass er weitere Sitzungen unter dem Kreuz nicht akzeptiere, wertete dies CDU-Vize-Fraktions- und Parteichef Michael Schierack als Affront und drohte damit, selbst den Saal zu verlassen.
Und die Union, die Bilderstürmerei sieht, ist gegen ein Abhängen. Schierack, der betroffen von dem Linke–Anliegen ist und sich der Unterstützung der Fraktionsspitze vergewisserte, mahnt im Gegenzug ein „tolerantes Brandenburg“ an. Natürlich sei es für die Union selbstverständlich, „parteipolitische Neutralität“ zu wahren, „dass nichts von der CDU dort hängt“, wenn im Raum Ausschüsse tagen. Mit dem Kreuz aber verhält es sich aus Sicht der Union völlig anders. „Das Kreuz hing immer da oben. Es ist kein Zeichen von Intoleranz, kein Missionierungssymbol“, erklärt Schierack. „Es ist vielmehr ein Zeichen der Toleranz“, es weise darauf hin, dass der Mensch „nicht das Maß aller Dinge“ ist, dass „es Höheres gibt, das kann Gott, das kann die Natur sein.“ Den Vorstoß von Jürgens könne er nicht verstehen. „Ich habe mehrfach erlebt, wie er mit jüdischer Kopfbedeckung aufgetreten ist. Ich akzeptiere das. Ich würde auch akzeptieren, wenn eine Abgeordnete mit Kopftuch auftritt“, sagt Schierack. „Wer für sich Toleranz in Anspruch nimmt, sollte sie anderen zubilligen.“
Für die Union, für Schierack, gibt es zudem eine tiefere politisch-historische Dimension. Er sei als Christ im SED-Regime angeeckt, „als ich meinen Glauben lebte.“ Er habe persönlich es erlebt, etwa im Internat, wo er vor 1989 gezwungen wurde, das Kreuz abzunehmen. Wenn heute das Ansinnen aus der gleichen politischen Ecke verfolgt werde, das Kreuz zu entfernen, „lasse ich mir das nicht gefallen.“
Thorsten Metzner
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