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Von Ulrich Zawatka-Gerlach: Golfclub-Deal: Senator will schonungslos aufklären

Sarrazin wehrt sich gegen die Vorwürfe / Alle Parlamentsfraktionen: Günstigen Vertrag rechtlich prüfen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

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Berlin - Die umstrittene Verpachtung eines landeseigenen Grundstücks an den Golf- und Landclub Wannsee wird in Berlin ein politisches Nachspiel haben. Finanzsenator Ulrich Nußbaum kündigte am Donnerstag an: „Ich werde dafür sorgen, dass der Sachverhalt mit neuen Augen schonungslos aufgeklärt wird“. Jetzt sei aber keine Zeit für Vorverurteilungen. Auch die Regierungsfraktionen SPD und Linke wollen den 2008 abgeschlossenen Pachtvertrag zwischen Senat und Golfverein rechtlich überprüfen.

„Wir werden klären, ob für den Golfclub etwas passend gemacht wurde“, sagte der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller. Wenn ja, werde die Koalition alle juristischen Mittel ausschöpfen, um den Pachtvertrag zu korrigieren. „Man lässt sich ungern hinters Licht führen“, so Müller. Alle fünf Fraktionen im Abgeordnetenhaus reagierten gestern empört. Auf Antrag der CDU wird sich der Vermögensausschuss des Parlaments nach der Sommerpause mit der Affäre befassen. Der SPD-Wirtschaftsexperte Jörg Stroedter forderte schon jetzt, „den ehemaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin für den entstandenen Vermögensschaden zur Verantwortung zu ziehen“.

Wie berichtet, hatte Sarrazin (SPD) im Sommer 2008 das Erbbaurecht über 99 Jahre zu einem Pachtzins von 3,045 Millionen Euro (einmalige Vorauszahlung) ausgehandelt, obwohl für die Finanzbehörde absehbar war, dass der Golfclub 2010 die Gemeinnützigkeit verliert. Damit hätte der Verein nach den Bestimmungen des Berliner Sportförderungsgesetzes und der Sportanlagennutzungsverordnung keinen Anspruch auf eine besonders günstige Pacht gehabt. Sie hätte doppelt so hoch sein müssen. Der Vertrag enthält aber keine Anpassungsklausel, die den Verein zwingen könnte, drei Millionen Euro nachzuzahlen.

„Der Verlust der Gemeinnützigkeit überrascht uns alle“, sagte die Vorsitzende des Vermögensausschusses, Dilek Kolat (SPD). Dass der Vertrag für diesen Fall keine Nachzahlungspflicht enthalte, sei „ein Hammer“. Ihr Fraktionskollege Holger Thärichen wies darauf hin, dass der Golfclub während der Verhandlungen 2008 „ständig mit seiner Gemeinnützigkeit argumentierte“. Das Parlament hatte aber keine rechtliche Befugnis, in den Vertragsabschluss einzugreifen.

Der CDU-Haushälter Florian Graf warf dem Senat vor, den Pachtvertrag „in nicht nachvollziehbarer Eile und unter grober Missachtung des Parlaments“ abgeschlossen zu haben. Im Zuge der Aufklärung müssten „mögliche Verquickungen von privaten und politischen Interessen“ und die Rolle des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) aufgedeckt werden. „Es bestätigt sich unsere Befürchtung, dass der Pachtvertrag keine saubere Sache war“, sagte der Grünen-Finanzexperte Oliver Schruoffeneger. Offenbar gebe es schwer nachweisbare, „undurchsichtige Beziehungsgeflechte“. Auch der FDP-Fraktionschef Christoph Meyer forderte die Finanzverwaltung auf, „Interessenkonflikte oder Unstimmigkeiten“ offenzulegen.

Die haushaltspolitische Sprecherin der Linken, Jutta Matuschek, stellte gestern die Frage: „Warum ist der Golfclub Wannsee überhaupt gemeinnützig?“ Diese Frage hatte der Landesrechnungshof schon 1997 gestellt, ohne vom Senat eine Antwort zu bekommen. Der langjährige Club-Präsident Roland Specker sagte dazu einmal im Interview: „Wir sind exklusiv, aber wir fördern auch den Jugend- und Spitzensport. Deshalb sind wir gemeinnützig.“ Specker war es auch, der das Gelände für seinen Verein seit Jahren kaufen wollte und 2008 den neuen Pachtvertrag aushandelte.

Sarrazin wehrte sich gestern erneut gegen die Vorwürfe: „Beim Erbpachtvertrag war nicht die Gemeinnützigkeit maßgebend für den Pachtzins, sondern die Festschreibung der Nutzung für sportliche Zwecke.“ Zwischen Gemeinnützigkeit und Pachtzins bestehe kein Zusammenhang. Der Chef des Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann, sieht es genauso. Maßgebend für den Zins sei allein ein Verkehrswertgutachten gewesen.

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