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Brandenburg: Gutachter: Mutter ist voll schuldfähig

Ex-Mann erneut belastet – der soll von den Schwangerschaften gewusst haben

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Frankfurt (Oder) - Blass, aber gefasst betritt Sabine H. den Gerichtssaal. Diesmal hat die 42-Jährige ihre dunklen Haare zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden. Der wippt, wenn sie spricht, fröhlich auf und nieder, was etwas deplatziert wirkt. Schließlich muss sich Sabine H. zum zweiten Mal vor dem Landgericht Frankfurt verantworten, weil sie zwischen 1988 und 1998 neun Kinder unmittelbar nach der Geburt getötet hat. Wegen achtfachen Totschlags – der Fall von 1988 ist verjährt – war sie im Juni 2006 zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte den Fall allerdings zurückverwiesen, weil er zweifelte, dass bei Sabine H. keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit vorlag. Diese könne sich sowohl aus einer schweren Persönlichkeitsstörung als auch aus dem Jahre langen Alkoholmissbrauch der Frau ergeben.

Mit Spannung war daher gestern das neue forensisch-psychiatrische Gutachten erwartet worden. Doch der Berliner Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Horst Krüger, kam zu keinem anderen Ergebnis als sein Vorgänger. Sabine H., so legte er dem Gericht dar, habe weder eine schwere Persönlichkeitsstörung, noch war ihre Steuerungsfähigkeit während der Taten so eingeschränkt, dass sich daraus eine verminderte Schuldfähigkeit ergebe. Letzteres begründete der Sachverständige damit, dass die Geburten der Kinder sowie das Verschwinden-Lassen der Neugeborenen und die Beseitigung aller Spuren ein komplexes Geschehen darstellten, das im Zustand der Volltrunkenheit nicht zu bewältigen gewesen wäre. Sabine H. hatte ausgesagt, sich während und nach der Geburten betrunken zu haben.

Völlig anders sei das Geschehen allerdings zu beurteilen, wenn ihr jemand bei und nach den Geburten geholfen habe, sagte der Gutachter. Diese Möglichkeit sieht zumindest Matthias Schöneburg, der Verteidiger von Sabine H., nachdem diese bereits am ersten Verhandlungstag des Revisionsprozesses ausgesagt hatte, ihr ehemaliger Ehemann Oliver H. habe von den Schwangerschaften gewusst. Gestern belastete sie ihren Ex-Mann erneut. Er habe mehrfach bei Unterhaltungen durchblicken lassen, dass er ihre Schwangerschaften bemerkt habe, sagte sie. Ob er ihr bei und nach den Geburten geholfen habe, wisse sie nicht, weil sie sich an nichts erinnern könne. Sie schließe das aber auch nicht aus, gab sie zu Protokoll.

Ihr Verteidiger beantragte daraufhin die Unterbrechung des Prozesses bis zur Klärung der Vorwürfe gegen ihren Ex-Mann. Die Staatsanwaltschaft hat nach den Aussagen von Sabine H. bereits ein Ermittlungsverfahren gegen Oliver H. eingeleitet. Seine Anwältin ließ gestern ausrichten, er werde sich umfänglich zu den Vorwürfen äußern. Das Gericht berät nun, ob es dem Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung stattgeben wird. Die Entscheidung wird voraussichtlich Mitte März fallen.

Die Leichen der neun toten Babys waren im Juli 2005 auf dem Grundstück der Eltern von Sabine H. in Brieskow-Finkenheerd gefunden worden. Der Fall hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

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