Brandenburg: „Haft statt Geldstrafe ist paradox“
Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig über Alternativen zu sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen
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Herr Ludwig, Sie wollen in Brandenburg die sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen abschaffen. Welche Straftäter sind davon betroffen?
Aktuell sitzen von den 1324 Insassen in Brandenburger Justizvollzugsanstalten 159 eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. Wir wollen, dass diese Straftäter die ursprünglich verhängte Geldstrafe durch Arbeit abgelten. Wir nutzen dabei nicht nur die Erfahrungen anderer Bundesländer. So hat Bremen ein Modellprojekt für notorische Schwarzfahrer gestartet, die ihre Geldstrafen durch Arbeit ableisten sollen. Denn notorische Schwarzfahrer werden sich wahrscheinlich auch nach 30 Tagen Haft keinen Fahrschein kaufen. Wir gehen darüber hinaus, denn Arbeit kann schon etwas bewirken.
Wie wollen Sie denn in Brandenburg Straftäter zur Arbeit bringen, vor allem wenn sie kein Interesse haben?
Wir haben Anfang März einen Erlass in Kraft gesetzt, dass die Strafvollstreckungsbehörden Verurteilten zunächst einen Kontakt zu einem sozialen Träger vermitteln sollen, der ein Projekt zur Haftvermeidung durch soziale Integration, kurz HSI, betreibt. Der Träger soll denjenigen ansprechen und feststellen, woran es liegt, dass die Geldstrafe nicht gezahlt wird oder werden kann. Mit diesem Wissen werden dann Arbeitsleistungen mit ihm vereinbart. Wenn der Betroffene die Übermittlung seiner Daten an solch einen Träger ablehnt, sollen sich die Behörden an die sozialen Dienste der Justiz wenden, die dann mit demselben Ziel auf die Straftäter zugehen. Ziel ist es in jedem Fall, dem Straftäter Wege aufzuzeigen, die Haft zu vermeiden.
Geht es Ihnen darum, Geld für die Haftplätze zu sparen?
Das ist einer der Ansätze, aber nicht der politische Ansatz. Es ist für mich geradezu paradox, dass derjenige, der zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, bei Haftantritt letztendlich Geld kostet. Genau das wollte das Gericht ja nicht. Es hat geurteilt, dass eine Geldstrafe tat- und schuldangemessen ist und es gerade nicht zu einer Freiheitsentziehung kommen soll.
Und was ist dabei nun Ihr politischer Ansatz?
Wir haben das Thema Ersatzfreiheitsstrafe letztes Jahr auf der Justizministerkonferenz mit dem Ziel thematisiert, hier nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Es gibt vielleicht Straftäter, die ihre Geldstrafe lieber absitzen wollen. Aber der Großteil sind doch die, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können. Letztendlich trifft die Ersatzfreiheitsstrafe die Mittellosen der Gesellschaft. Und die brauchen Hilfe und keine Haft.
Das Interview führte Klaus Peters
Diplom-Jurist
Stefan Ludwig (49, Linke) aus Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) trat im April 2016 die Nachfolge von Justizminister Helmuth Markov (Linke) an.
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