Brandenburg: Hauptbahnhof: Erste Läden schließen
Abgesperrt und zugemacht: Im Streit um den Sonntagsverkauf in Berlin sind Shop-Besitzer lieber vorsichtig – und irritieren damit Kunden
Stand:
Berlin - Enttäuscht kommt Tamara Becker aus der Rossmann-Filiale am Berliner Hauptbahnhof: „Alles, was ich heute hier besorgen wollte, ist mit einer rot-weißen Kette abgesperrt“, sagt die Studentin, und zeigt verärgert auf ein Loch in ihrem T-Shirt: „Ich brauche ganz dringend Mottenkugeln.“ Keinen Zugang haben die Rossmann-Kunden an diesem Sonntag auch zu den Regalen mit dem Tierfutter und den Wasch- und Putzmitteln. „Sonntags dürfen wir nur gesetzlich zulässigen Reisebedarf verkaufen“, erklärt ein Schild, das zwischen den abgesperrten Regalen steht. Die Mitarbeiter, die auch die wechselnden Artikel aus der „Ideen-Welt“ mit Tüchern zugehängt haben, wollen sich zu der Aktion nicht äußern.
Aber Rossmann hat aus dem Streit um den Sonntagsverkauf am Hauptbahnhof unübersehbar Konsequenzen gezogen. Der ist laut geltendem Ladenöffnungsgesetz nur gestattet, wenn Reisebedarf verkauft wird. Eine Ausnahme von dieser Regel genießt bislang nur der Flughafen Tegel. Für Toni Brentrup, den Besitzer des Modeladens Gerry Weber, ist das unverständlich. „Die Läden am Hauptbahnhof müssten mit Tegel gleichgestellt werden“, findet er. Und für viele seiner Mitarbeiter sei es wichtig, sonntags zu arbeiten, vor allem wegen der Zuschläge. Und auch, weil sich zum Beispiel alleinerziehende Mütter dann unter der Woche um ihre Familien kümmern könnten. Dass für einige Mitarbeiter die Sonntagsdienste fest im Wochenplan verankert sind, bestätigt auch Mustafa Lankow, dem die Esprit-Filiale im Hauptbahnhof gehört. „Und wenn wir sonntags nicht mehr öffnen dürfen, muss ich 20 Prozent meines Personals abbauen.“
Den Streit um die Ladenöffnungszeiten haben in dieser Woche auch Norbert und Bertha Wilhelm mitbekommen, die gerade in Berlin Urlaub machen. „Dass in der Hauptstadt über so etwas diskutiert wird, hat mich sehr überrascht“, sagt die Stuttgarterin. Und ihr Mann ergänzt: „Das ist eigentlich ziemlich provinziell.“ Die Absperrungen bei Rossmann finden die beiden „drollig“. Mit Kontrollen durch das Ordnungsamt muss an diesem Sonntag kein Ladenbesitzer rechnen. Mittes Ordnungsamts-Stadtrat Carsten Spallek (CDU) hat das mit fehlendem Personal begründet, und damit, dass der Hauptbahnhof Privatgelände ist – und seine Mitarbeiter nicht zugangsberechtigt sind.
Ein Ladenbesitzer lässt sein Geschäft trotzdem lieber zu: In der gläsernen Tür des Wäscheladens Calida informiert ein Schild: „Vorübergehend haben wir sonntags geschlossen.“ Vielleicht fürchtet der Inhaber eine Kontrolle durch das Landesamt für Arbeitsschutz (Lagetsi). Denn das hat gegen mehrere Ladenbesitzer Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Und auch Sonntagskontrollen nicht ausgeschlossen. Rita Nikolow
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: