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Brandenburg: Haus der Kulturen droht mit Rauswurf Sarrazins

Berlins Migrationsrat fordert, Lesung abzusagen / Bislang kein Disputant „auf Augenhöhe“

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Berlin - Das Berliner Haus der Kulturen der Welt ist so etwas wie die Multi-Kulti-Zentrale Berlins. Dass Thilo Sarrazin ausgerechnet hier aus seinem umstrittenen Buch „Deutschland schafft sich ab“ lesen soll, hat massiven Protest vonseiten des Migrationsrats Berlin Brandenburg ausgelöst.

Die Organisation bezeichnet die in Sarrazins Buch vertretenen Thesen als „rassistisch“ und kritisiert, der ehemalige Berliner Finanzsenator teile die Gesellschaft in „erwünschte“ und „unerwünschte“ Mitglieder. Sarrazin entwerfe „apokalyptische Bedrohungsszenarien“ und betreibe „Hetze“ gegen muslimische Migranten. Dem Haus der Kulturen der Welt, in dem Sarrazin am 25. September im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals auftreten sollte, wirft der Migrationsrat vor, es verliere „jegliche Glaubwürdigkeit in Bezug auf den Anspruch, den es im Namen führt“.

In einem Protestschreiben fordert der Migrationsrat die Veranstalter des Internationalen Literaturfestivals Berlin und des Hauses der Kulturen der Welt auf, den Auftritt Sarrazins abzusagen. Die Autorinnen und Autoren des Festivals werden aufgerufen, die Bühne „nicht mit einem bekennenden Rassisten zu teilen.“ Darüber hinaus will der Migrationsrat Unterschriften gegen den Sarrazin-Auftritt sammeln.

Bernd Scherer, Intendant des Hauses der Kulturen, teilte mit, er habe von Anfang an auf die Anwesenheit eines kritischen Gegenpols zu Sarrazin auf dem Podium bestanden. Gedacht hätte er dabei an Persönlichkeiten wie Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer oder den ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück. Wenn kein adäquater Diskussionspartner gefunden würde, könne die Veranstaltung nicht stattfinden. Generell gelte: „Sarrazins polemische Thesen sind völlig konträr zur Grundhaltung des Hauses“.

Ulrich Schreiber, der Leiter des Internationalen Literaturfestivals Berlin, geht derzeit davon aus, dass die Veranstaltung nicht stattfinden wird. Als Gesprächspartner auf der Bühne habe man den ZDF-Journalisten Christhard Läpple vorgeschlagen, der aber vonseiten des Hauses der Kulturen mit der Begründung abgelehnt worden sei, es handele sich nicht um eine Gegenstimme „auf Augenhöhe“. Auch wenn man weder in Bezug auf seinen Jargon noch inhaltlich mit Sarrazin übereinstimme, sei man der Überzeugung, dass „auch die Position des Andersdenkenden diskutiert werden“ müsse. Sarrazin vertrete in Bezug auf Migration einen Standpunkt, den ein nicht geringer Teil der Bevölkerung teile. „Wir dürfen den Rechten nicht dieses Terrain überlassen.“ Am gestrigen Mittwoch wollte die Festivalleitung besprechen, ob man dem Haus der Kulturen doch noch einen anderen Disputanten vorschlagen will.

Nuran Yigit, Sprecherin des Migrationsrates, der sich als Interessenvertretung von Migranten in der Region versteht, sagte dieser Zeitung: „Wir sind dagegen, dass das Haus der Kulturen Herrn Sarrazin eine Plattform für seine rechtsnationalen und rechtspopulistischen Äußerungen bietet“. Andere Autoren des Festivals hätten ein Recht darauf zu erfahren, mit wem sie eine Bühne teilten. Reaktionen lägen derzeit noch nicht vor. Stephanie Kirchner

Stephanie Kirchner

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