
© Thilo Rückeis
Brandenburg: Hausaufgaben statt Frontalunterricht
Freizeitkapitäne ohne Führerschein sind oft überfordert. Die Pflichteinweisung soll nun verändert werden
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Oranienburg - Brandenburgs Wasserschutzpolizei sieht Verbesserungsbedarf bei der Einweisung von Freizeitkapitänen ohne Bootsführerschein. Eine Stichprobe aus dem vergangenen Jahr hat ergeben, dass immerhin 13 Prozent aller Bootsführer, die sich bei einem Verleiher zuvor ein Charterboot für eine Tour ohne Führerschein geliehen haben, keine ausreichende praktische Einweisung bekommen haben. 4,5 Prozent der Befragten hätten sogar keinerlei Einweisung im Vorfeld bekommen, berichtete Jan Müller von der brandenburgischen Wasserschutzpolizei am Dienstag in Oranienburg bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammern Potsdam und Berlin zum Wassertourismus. „Ich sehe kein akutes Sicherheitsrisiko. Aber es gibt Handlungsbedarf“, sagte Müller. Verbessert werden müsse vor allem die praktische Handhabung der Boote. Grundlegene Handgriffe, wie das Festmachen, Anlegen und Ankern, würden oftmals nicht ausreichend beherrscht.
Erlaubt ist das führerscheinlose Motorbootfahren in Deutschland seit rund 14 Jahren, allerdings nur auf ausgewählten Strecken. In Brandenburg und Berlin stehen dafür insgesamt etwa 470 Kilometer zur Verfügung. Erst vor zwei Jahren wurde die Leistungsgrenze zudem von bisher 5 PS auf 15 PS angehoben. Die Entscheidung hatte wie berichtet die Diskussionen über Folgen für die Verkehrssicherheit auf dem Wasser durch Bootsführer ohne amtliche Fahrerlaubnis verschärft. Experten zufolge sind mit 15 PS Geschwindigkeiten von bis zu 30 Stundenkilometern möglich. Allerdings darf auf 40 Prozent der Wasserstraßen in der Region ohnehin nicht schneller als zwölf Kilometer pro Stunde und auf weiteren 19 Prozent nicht schneller als 20 gefahren werden. Die Regelsätze für Bußgelder sind deutlich höher als auf der Straße. Belastbare Erkenntnisse zu den Folgen der Leistungserweiterung hat die Polizei aber noch nicht. Noch seien 15 PS starke Boote bei den regionalen Verleihern kein Massenphänomen, sagte Müller.
Ohnehin scheinen die ungeübten Hobbykapitäne bereits genug damit zu tun zu haben, die deutlich leistungsschwächeren Boote auf Kurs zu halten. Zwar fallen die ohne Führerschein gesteuerten Motorboote in der Unfallstatistik der Polizei nicht weiter auf, doch bei Kontrollen werden die Beamten fast immer fündig. Im vergangenen Jahr gab es der Polizei zufolge bei insgesamt 1704 Kontrollen 1169-mal einen Anlass für Beanstandungen. Auch an den Schleusen der Region regt sich der Unmut über die ungeübten Freizeitschiffer. Immer wieder krachen sie mit ihren Leihbooten gegen Schleusentore und verursachen dadurch lange Staus. „Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Charterer nicht eingewiesen werden und die Boote nicht beherrschen“, berichtete am Dienstag auch der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde, Hans-Jürgen Heymann.
Allerdings gibt es Bestrebungen, die Bootsentleiher besser vorzubereiten. Eine Arbeitsgruppe, in der unter anderem Polizei, das Wasser- und Schifffahrtsamt und die Verleiher mitarbeiten, erörtert Alternativen zu bisherigen Praxis. Vorgeschrieben ist eine dreistündige Einweisung. „In der Praxis schlafen die Gäste oft fast ein, wenn sie stundenlange theoretische Ausführungen am Stück über sich ergehen lassen müssen, bevor es losgeht“, sagte Markus Frielinghaus von der Firma „Freecamper boot & camping GmbH“ aus Mildenberg (Oberhavel), der Mitglied der Arbeitsgruppe ist. Die Idee ist daher, einen Teil der Einweisung dem Entleiher wenn möglich als Hausaufgabe zu übertragen. Anhand eines kleinen Merkheftes und eines Videos könnte er sich nach Vorstellung der Arbeitsgruppe zu Hause auf den Bootstrip vorbereiten. Nach einem kleinen Test vor Ort bliebe dann am Tag des Fahrtantritts mehr Zeit für eine längere praktische Unterweisung. „Die Praxis ist aus unserer Sicht das Allerwichtigste“, betonte auch Frielinghaus.
Auch Jan Müller von der Wasserschutzpolizei hält den Ansatz für richtig. „Drei Stunden Frontalunterricht. Was soll das für einen Sinn haben? Insbesondere wenn man eigentlich im Urlaub ist und endlich ablegen möchte.“ Matthias Matern
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