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Kiefernprozessionsspinner können gefährlich werden.

© imago / blickwinkel

Hautausschlag und Juckreiz: Wie der Kiefernprozessionsspinner eine ganze Feuerwache in Brandenburg lahmlegte

Im August setzte er eine ganze Feuerwehr-Mannschaft im Fläming außer Gefecht. Doch wie gefährlich ist der Kiefernprozessionsspinner wirklich?

Von Sandra Dassler

Diesen Löscheinsatz im August wird Tino Bastian nie vergessen. „Als der erste unserer Kameraden am Tag darauf erzählte, dass er einen schlimmen Hautausschlag habe, dachten wir uns noch nichts dabei“, sagt der Amtswehrführer der Niemegker Freiwilligen Feuerwehr: „Beim zweiten Fall glaubten wir an einen Zufall, beim dritten wurden wir dann stutzig und starteten einen Rundruf.“ Mit dem Ergebnis, dass etwa drei Dutzend Kameraden antworten: „Ja, das habe ich auch.“

Zufall konnte das nicht mehr sein, zumal alle Betroffenen am Tag zuvor bei der Bekämpfung eines Brandes im Niemegker Wald zum Einsatz gekommen waren. Zunächst habe man vermutet, dass es vielleicht an der neuen Schutzkleidung liegen könnte, mit der die Freiwillige Feuerwehr Niemegk kürzlich ausgestattet worden war, sagt Tino Bastian: „Aber einige Rettungssanitäter und andere am Einsatz Beteiligte, die keine Schutzkleidung trugen, klagten über dieselben Symptome.“

Lebensgefährlich nur in sehr seltenen Fällen

Forstexperten und Ärzte waren sich dann doch relativ schnell einig, was die allergischen Reaktionen hervorgerufen hatte: Der Kiefernprozessionsspinner. Er ist bislang weniger bekannt, weil für die Bäume weniger gefährlich als sein berüchtigter Verwandter, der Eichenprozessionsspinner. Doch das ändert sich gerade.

Immer wieder mussten brandenburgische Behörden in den vergangenen Jahren vor dem Schmetterling warnen. Denn wie bei allen anderen Prozessionsspinnern können die giftigen Brennhaare, die seine Raupen absondern, beim Menschen allergische Reaktionen wie Hautausschlag, aber auch Schwindel, Übelkeit, Asthmaanfälle, Atemnot und in sehr seltenen Fällen sogar lebensgefährliche Schocks auslösen.

Der Fall Niemegk ging jedenfalls durch die Medien – auch, weil er weitere Fragen aufwarf: Wenn schon Feuerwehrleute, die ja meist Schutzkleidung, ganz sicher aber Stiefel und Schutzhosen tragen, nicht vor den Folgen eines Kontakts gefeit sind – wie gefährlich leben dann andere Besucher des Waldes? Jogger und Wanderer etwa. Oder Pilzsammler. Und wie kann man sich schützen?

Feuerwehrleute hatten großes Pech

Vielleicht handelte es sich bei dem Geschehen in Niemegk um einen krassen Einzelfall? Tino Bastian verneint das. „Tatsächlich hatten wir nur wenige Wochen später im benachbarten Treuenbrietzen einen Einsatz, bei dem genau dasselbe passierte“, sagt er.

Nicht nur die Flammen können den Feuerwehrmännern in Brandenburg zu schaffen machen. In Treuenbrietzen und Niemegk bekamen sie es in diesem Sommer mit den giftigen Brennhaaren einer kleinen Raupe zu tun.
Nicht nur die Flammen können den Feuerwehrmännern in Brandenburg zu schaffen machen. In Treuenbrietzen und Niemegk bekamen sie es in diesem Sommer mit den giftigen Brennhaaren einer kleinen Raupe zu tun.

© Michael Kappeler/dpa

Trotzdem ist die Leiterin des Fachbereichs Waldschutz und Wildökologie am Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde, Katrin Möller, überzeugt, dass die Feuerwehrleute vor allem eines hatten: großes Pech.  „Sie müssen zufällig eine Stelle mit einer großen Dichte der Tiere erwischt haben“, sagt die Biologin. Und erklärt, dass die Raupen, die in den Kiefernkronen fressen, irgendwann zur Verpuppung – wie in einer Prozession – an den Bäumen nach unten wandern und sich dann bevorzugt in weichem, sandigen Boden bis zu 20 Zentimeter tief eingraben.

„Auf dem Weg dorthin verlieren sie viele kleine Gifthaare, auch Brennhaare genannt, und wahrscheinlich haben die Feuerwehrleute einen Bereich erwischt, wo sich die Spinner gerade eingegraben und sich deshalb sehr viele Haare angesammelt hatten. Möglicherweise wurde durch den Einsatz auch der Sand massiv aufgewirbelt – jedenfalls müssen es Hunderttausende kleiner Härchen gewesen sein, auf die sie da gestoßen sind.“

Lästiger Hautausschlag verschwand nach ein paar Tagen wieder

Auch Tino Bastian geht davon aus, dass die Härchen wohl durch das Feuer oder die Löscharbeiten aufgewirbelt wurden. „Unsere Kleidung ist ja nicht hermetisch abgeschlossen“, sagt er. So könnten die Latzhosen wie Schlote gewirkt und die Härchen mit dem Rauch nach oben gezogen haben. Außerdem würden Kameraden, die nicht unmittelbar das Feuer bekämpften, ihre Jacken auch mal ablegen. „Zum Glück ist der lästige Hautausschlag mit Juckreiz aber bei den meisten nach wenigen Tagen wieder verschwunden“, sagt Tino Bastian: „Nur einer musste sich krank melden.“

Auch Ärzte berichten, dass die meisten Menschen den Kontakt mit dem Kiefernprozessionsspinner beziehungsweise seinen Brennhaaren relativ gut überstehen. „Wir haben vielleicht alle zwei Jahre mal einen Fall, wo ein Patient deswegen im Krankenhaus behandelt werden muss“, sagt der Professor für klinische Toxikologie an der Universität München, Florian Eyer: „Meist beschränken sich die Reaktionen auf den zwar unangenehmen, aber nicht lebensgefährlichen Hautausschlag.“

Prozession kann bis zu acht Meter lang sein

Den sollte man übrigens nicht, wie manchmal empfohlen wird, kühlen, sondern wegen der hitzelabilen Toxine der Härchen eher mit möglichst warmen Wasser abwaschen, wie auch Tino Bastian jetzt weiß. „Deshalb mussten wir auch unsere Uniformen durch ein besonderes Verfahren reinigen lassen.“

Einige Landkreise warnen bereits auf ihren Internetseiten vor dem Kiefernprozessionsspinner und geben Verhaltenshinweise. Meist würden die Behörden von Spaziergängern informiert, die eine Prozession der Raupen, die bis zu zehn Reihen breit und acht Meter lang sein kann, beobachtet haben, sagt Daniel Göhrs, Teamleiter Hygiene und Umwelt beim Landratsamt Potsdam-Mittelmark: „Wir leiten die Meldung an die zuständigen Forstbehörden weiter und informieren die Gemeinden, die dann oft auch Warnschilder aufstellen.“

Knapp ein Dutzend Fälle werden dem Landratsamt jährlich gemeldet, nach Göhrs Wahrnehmung sind es in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr geworden. Manche Förster berichten allerdings, dass der Kiefernprozessionsspinner häufiger anzutreffen sei, allerdings nicht in jedem Jahr.

Pilzsammler sind wenig gefährdet

Natürlich habe der Klimawandel auch Einfluss auf die Schmetterlinge, sagt Biologin Katrin Möller. Trotz der sich häufenden Berichte über Kontakte mit dem Kiefernprozessionsspinner hält sie allerdings die Gefahr für Spaziergänger, Jogger oder Pilzsammler für eher gering: „Jogger laufen ja meist auf einigermaßen festen Wegen. Und nicht auf so weichen Sandstellen, wo sich die Raupen vor allem im Juli und August eingraben. Und wenn die Pilzsammler Hochsaison haben, sind die meisten Härchen schon wieder verschwunden: abgebaut, zerstört, vom Regen weggewischt.“

Ansonsten gehöre der Kiefernprozessionsspinner, der übrigens den Kiefern meist nicht schadet, nun mal zu unseren Wäldern, sagt Katrin Möller: „Es hat bereits in den 60er Jahren größere Vorkommen im Bereich Hoyerswerda gegeben, in den 80er Jahren eine Häufung auf Usedom und zur Zeit mehren sich die Meldungen im Fläming“. Generell müsse man also mit dem Kiefernprozessionsspinner leben.

So sehen es auch die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Niemegk: „Der fällt dann eben wie so vieles andere unter das Berufsrisiko“, sagt Tino Bastian.

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