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Brandenburg: Hebesatz geht auf 316 Prozent

Ludwigsfelde als märkische Steueroase gibt es ab 2006 nicht mehr

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Ludwigsfelde als märkische Steueroase gibt es ab 2006 nicht mehr Ludwigsfelde - Diese Stadt gilt als Symbol, dass der „Aufbau Ost“ doch gelingen kann: „Ludwigsfelde ist die Boomtown schlechthin.“ So hieß es einst in der Hamburger „Zeit“ über die heimliche Hauptstadt des Landkreises Teltow-Fläming, der in einem bundesweiten Ranking Wachstums-Spitzenreiter in Deutschland wurde. Daimler-Chrysler hat sich mit einem Werk in der aufstrebenden Stadt am südlichen Berliner Autobahnring niedergelassen, Volkswagen eröffnete hier kürzlich ein Logistikzentrum für die neuen Länder. Nebenan im MTU-Werk werden Flugzeugtriebwerke gewartet. Ludwigsfelde brummt – auch deshalb, weil es bislang eine märkische Steueroase war. Doch damit ist bald Schluss. Zum Jahr 2006 wird der Hebesatz für die Gewerbesteuer auf den Brandenburger Landesdurchschnitt von 316 Prozent angehoben, bestätigte der Finanzbeigeordnete Frank Gerhard (SPD) am Freitag den PNN. Bisher lag der Hebesatz in Ludwigsfelde bei lediglich 200 Prozent. Das ist das Minimum, das vom Gesetz überhaupt vorgeschrieben ist. Es gibt, sagt Gerhard selbst, „keine 25 000-Einwohner-Stadt in Deutschland, wo er noch so niedrig ist.“ Das Problem, das der Kämmerer schildert und das die Stadtväter jetzt zur Anhebung veranlasste, kennen viele deutsche Kommunen: Im Stadt-Haushalt klafft – trotz Wirtschaftsdynamik und Ansiedlungsboom – bei Einnahmen von 32 Millionen Euro und Ausgaben von 37 Millionen Euro Jahr für Jahr ein Defizit von fünf Millionen Euro. Und, so Gerhard, wegen des zu niedrigen Gewerbesteuersatzes erhalte Ludwigsfelde zudem jährlich zwei Millionen Euro weniger Zuweisungen vom Land – weil es auf eigene Einnahmen verzichte. Ludwigsfelde könne es sich nicht mehr leisten, den „niedrigen Hebesatz weiter zu subventionieren“, so der Kämmerer. Darüber herrscht unter den lokalen Parteien inzwischen große Einigkeit, obwohl das bisherige Modell augenscheinlich ganz erfolgreich war. Für die Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes – die auf einer Sondersitzung des Stadtparlaments am Donnerstagabend beschlossen wurde – hatte im Rathaus sogar die CDU vehement gefochten. Am Ende schwenkte selbst Bürgermeister Heinrich Scholl (SPD) ein, der den Hebesatz in den letzten Jahren noch gegen alle Widerstände verteidigt hatte. Im Landratsamt von Teltow-Fläming ist man freilich nicht glücklich über die symbolträchtige Entscheidung, die nicht so Recht zum wirtschaftsfreundlichen Image des Kreises passen will. Zwar habe man Verständnis für die Stadtväter, für ihre finanziellen Sorgen, sagt Kreissprecher Harald Sempff. „Die Bedingungen für Ansiedlungen werden damit aber nicht verbessert.“ Wirtschaftsförderer im Landkreis befürchten, dass vor allem die mobilen Finanz- und Kapitaldienstleister, von denen sich wegen der niedrigen Gewerbesteuer fast 60 in Ludwigsfelde niedergelassen haben, nun das Weite suchen werden. Für Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) liegt das Kardinalproblem im System der Gemeindefinanzierung im Land Brandenburg selbst – die Kommunen zu solchen Entscheidungen zwingt. „Der Fall Ludwigsfelde zeigt uns klar: Wir müssen die Finanzströme verändern“, sagte Junghanns den PNN. „Der kommunale Finanzausgleich gehört auf die Tagesordnung.“ Wirtschaftlich erfolgreiche Kommunen dürften nicht mit geringeren Landeszuweisungen benachteiligt werden, so Junghanns. Dies stünde auch im Widerspruch zur jetzt gerade begonnen Neuausrichtung der Förderpolitik des Landes, nach der gerade „Wachstumskerne“ wie Ludwigsfelde besonders gefördert werden sollen – nach dem Motto: „Die Stärken stärken.“

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