zum Hauptinhalt

Brandenburg: Hinter Gittern wächst die Wut

Berliner Strafvollzug: Weniger Wärter, immer mehr Häftlinge – und eine versuchte Meuterei in Tegel

Stand:

Berlin - Die Berliner Justiz hat gegen 29 Häftlinge Strafanzeige wegen Aufrufs zur Gefangenenmeuterei gestellt. Dies sagte der amtierende Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel, Ralph Adam, gestern. Die Männer hatten sich in der vergangenen Woche aus Verärgerung über die Haftsituation geweigert, nach dem Freigang in die Zellen zurückzukehren. Erst nach 90 Minuten habe die Anstaltsleitung durch „gutes Zureden“, wie es hieß, erreicht, dass die Gefangenen ihre Meuterei beenden. Adam betonte, dass die Situation „keineswegs bedrohlich gewesen“ sei. Die Gefangenen, alles Schwerverbrecher, die zu langjährigen Strafen verurteilt worden sind, seien erstens sauer gewesen, dass am Vorabend das Fernsehen ausgefallen sei, zweitens sei das Essen kalt gewesen und drittens seien den Gefangen die Bauarbeiten zu laut.

Personalrat und Beamtenbund nennen Personalabbau und Überbelegung als Ursache für die versuchte Meuterei. „Personal- und Geldmangel gefährden die Sicherheit in den Berliner Gefängnissen“, heißt es in einer Mitteilung des Beamtenbundes. Joachim Jetschmann, Vorsitzende des Berliner Beamtenbundes, forderte gestern, dass „die tatsächliche Lage des Justizvollzuges endlich ernst genommen werden muss“. Nach seinen Angaben werde „die personelle Unterausstattung mit ausgebildeten Justizvollzugsbeamten“ in den kommenden beiden Jahren eher noch verschärft, da weiter Geld und Stellen reduziert werden sollen. Nach Jetschmanns Angaben sollen in den beiden kommenden Jahren 28 Stellen in Tegel abgebaut werden. In den vergangenen zehn Jahren seien bereits 200 von 1000 Stellen abgebaut worden. „Ohne ausreichende Betreuung steigt die Gefahr“, sagt Jetschmann. Die Meuterei sei ein „Alarmsignal“, das ignoriert werde – „bis es den richtigen Knall gibt. Jetschmann erinnerte daran, dass es in den 60er Jahren „laufend Revolten“ in deutschen Gefängnissen gegeben habe, „wir sind auf dem Weg zurück dorthin.

Gefängnischef Adam bestätigte, dass es einen „erheblichen Personalabbau“ gegeben habe, „wie überall im öffentlichen Dienst“. Der Berliner Strafvollzug sei aber personell besser ausgestattet als in anderen Bundesländern, widersprach Adam der Kritik des Beamtenbundes.

Die Zahl der Häftlinge steigt unterdessen weiter. Gestern saßen in Tegel nach Angaben von Anstaltsleiter Adam 1634 Menschen ein, offiziell Platz ist nur für 1571. Die jüngste „Weihnachtsamnestie“ habe 77 Tegeler Gefangenen die vorzeitige Freiheit gebracht, aber nicht mehr Platz. Die Plätze seien längst wieder belegt worden, sagte Adam. Diese Überbelegung hält seit Jahren an und wird auch noch Jahre anhalten. Denn das seit knapp zehn Jahren geplante neue Gefängnis im brandenburgischen Großbeeren wird frühestens im Jahr 2012 fertig werden. Justizsprecherin Juliane Baer-Henney sagte gestern, dass der Baubeginn für 2008 geplant sei. Immerhin seien in den beiden kommenden Jahren die ersten fünf Millionen Euro im Landeshaushalt eingestellt, dies sei ein Zeichen, dass der immer wieder verschobene Bau jetzt tatsächlich in Angriff genommen werde. Am 19. Dezember solle eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung fertig sein, inwieweit der neue Knast privat gebaut oder betrieben werden könne. Bis dahin bleibt dem Land nichts anderes, als Wohncontainer aufzustellen. Doch Schwerverbrecher können nicht in Container gesperrt werden, heißt es bei der Justiz. Bereits im Frühjahr hatte Justizsenatorin Schubert eingeräumt, dass bis Ende 2010 über 600 Haftplätze fehlen werden. In Tegel wurden in diesem Jahr bereits Überbelegungen von zehn Prozent registriert, in der Untersuchungshaftanstalt Moabit sogar von 25 Prozent.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })