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Brandenburg: Honorarstreit: Der Frust bei den Ärzten sitzt tief Hausärzteverband Brandenburg erwartet zunächst keine flächendeckenden Praxisschließungen

Potsdam - Die niedergelassenen Ärzte bereiten sich auf Proteste vor. Noch steht nicht fest, inwiefern auch im Land Brandenburg die Praxen geschlossen bleiben sollen.

Von Matthias Matern

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Potsdam - Die niedergelassenen Ärzte bereiten sich auf Proteste vor. Noch steht nicht fest, inwiefern auch im Land Brandenburg die Praxen geschlossen bleiben sollen. Allerdings sitzt der Frust über das Verhalten der Krankenkassen tief. „Die Zeichen stehen auf Protest. Ob es zu Schließungen kommen wird, hängt vom Verlauf der Verhandlungen am Samstag ab. Allerdings zeigt sich die Ärzteschaft beim Thema Praxisschließung immer etwas heterogen“, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Ralf Herre, am Donnerstag.

In einer bundesweiten Urabstimmung haben sich 75 Prozent der Ärzte im Honorarstreit mit den Krankenkassen für Protestmaßnahmen wie Praxisschließungen ausgesprochen. Während die Mediziner eine Anhebung ihrer Honorare für das kommende Jahr um insgesamt 3,5 Milliarden Euro fordern, wollen die Kassen gemäß eines Schlichterspruchs nur 270 Millionen Euro mehr zahlen. Ursprünglich wollten sie sogar eine Kürzung um sieben Prozent durchsetzen. Die niedergelassenen Ärzte dagegen fordern einen Inflationsausgleich und verweisen auf die für das laufende Jahr verabredete Nullrunde bei den Honoraren. Zwar sind die Fronten verhärtet, doch wollen sich die Vertreter des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) morgen erneut in Berlin zusammensetzen.

Seines Wissens, so Herre, sei der neue Termin allerdings erst nach der erfolgten Urabstimmung bekannt geworden. Mit dem Votum der Ärzte werde die Verhandlungsposition der KBV sicherlich gestärkt. Jedoch hätten die Ärzte ausdrücklich für Protestmaßnahmen inklusive Praxisschließungen gestimmt. „Wir wollen nicht die Patienten instrumentalisieren, sondern die Kassen zwingen, ihre arrogante Haltung aufzugeben“, so der KV-Sprecher Brandenburgs. Denkbar wäre etwa auch, dass die Ärzte einfach keine Anfragen der Kassen beantworten, meinte Herre. „Vor allem Hausärzte werden mit solchen Anfragen oft zugeschüttet. Die Kassen wollen etwa ständig wissen, warum dieser oder jener Patient dieses oder ein anderes Medikament bekommen hat oder warum eine Behandlung noch immer nicht abgeschlossen ist“, erläuterte Herre. Solche Anfragen nicht zu beantworten, treffe nicht die Patienten, sondern nur die Kassen.

Getragen werden die Proteste vor allem von Fachärzten. Die Hausärzte sind überwiegend zögerlich, weil viele von ihnen auf Hausarztverträge mit einzelnen Krankenkassen setzen. Knapp 1600 niedergelassene Hausärzte gibt es im Land Brandenburg. Mit einer breit angelegten Praxisschließung ist nach Einschätzung von Ulrich Schwantes, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Brandenburg, zunächst nicht zu rechnen. „Aber den Protest der Fachärzte sollte man nicht unterschätzen. Es wird sicherlich zu spüren sein, dass irgendetwas nicht stimmt.“ Sollte sich die Sitaution zudem nicht deutlich entspannen, würden sich sicherlich auch die Hausärzte an der Aktion beteiligen, sagte Schwantes. So lange würden die Allgemeinmediziner sicherlich bemüht sein, „alles, was dringlich und notwendig ist, abzuarbeiten“. „Aber wir können natürlich nicht alles abfangen“, warnte Schwantes.

Sowohl Herre als auch Schwantes sind sich einig, dass es an der Zeit ist, den Krankenkassen ein Zeichen zu setzen. „Es ist eine Unart, wie die Kassen mit den Ärzten umgehen. Man hat das Gefühl, man wird als Vertragspartner gar nicht ernst genommen“, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg. Außerdem sei die Position der Kassen in Zeiten zahlreicher nicht besetzter Hausarztpraxen in Brandenburg ein vollkomen falsches Signal. Es gebe ohnehin nur wenige Argumente, junge Ärzte auf das Land zu locken, warnt Schwantes. „Es geht aber nicht nur um Zahlen, sondern auch um den unverschämten Umgang der Kassen mit den Ärzten.“ Vor dem Hintergrund der unerwarteten Rekordüberschüsse der Kassen sei das Angebot von nur 0,9 Prozent mehr „eine Frechheit“, meinte am Donnerstag auch KV-Sprecher Herre.

Selbst äußern wollen sich die meisten Ärzte in Potsdam und Umgebung aber nicht. Zuständig dafür sei die KV, heißt es immer wieder. Radiologe Christof-Johannes Schubert aus Potsdam-Babelsberg sagt nur, er baue auf die morgigen Verhandlungen: „Es ist ja noch nicht so weit. Ich hoffe, dass man sich noch vernünftig einigt.“ Eine Ärztin für Innere Medizin aus Teltow (Potsdam-Mittelmark), die lieber anonym bleiben will, sagte dagegen am Donnerstag: „Ich beteilige mich nicht. Ich denke, Ärzte, Lehrer und Pfarrer gehören aus moralischen Gründen nicht auf die Straße. In Deutschland verarmt kein Arzt.“Matthias Matern

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