Brandenburg: Hungertod von Dennis war kein Mord Bundesgerichtshof hebt Urteil auf
Leipzig/Cottbus - Das Landgericht Cottbus muss sich noch einmal mit dem Fall des verhungerten Dennis befassen und die Eltern des Jungen neu verurteilen. Der Bundesgerichtshof in Leipzig entschied jetzt, den Eltern sei nicht Mord, sondern nur Totschlag vorzuwerfen.
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Leipzig/Cottbus - Das Landgericht Cottbus muss sich noch einmal mit dem Fall des verhungerten Dennis befassen und die Eltern des Jungen neu verurteilen. Der Bundesgerichtshof in Leipzig entschied jetzt, den Eltern sei nicht Mord, sondern nur Totschlag vorzuwerfen. Das neue Strafmaß müssen nun die Richter in Cottbus festsetzen. Makabre Begründung der Bundesrichter: In den letzten anderthalb Jahren seines Lebens habe Dennis keinen Hunger mehr verspürt, und so sei sein Hungertod kein Zeichen besonderer Grausamkeit seiner Eltern. Grausamkeit aber oder ein anderes so genanntes Mordmerkmal muss vorliegen, also eine Qualität, die über das reine Töten hinausgeht. Ist das nicht der Fall, so handelt es sich bloß um Totschlag, nicht um Mord.
Wichtig ist den Richtern der Zeitpunkt. Erst waren die Eltern grausam (jahrelange Mangelernährung), später dann hatten sie Tötungsvorsatz. Aber später hatte der Junge ja keinen Hunger mehr. Das Gericht schreibt: „Für die Verwirklichung des Mordmerkmals der Grausamkeit wäre es aber erforderlich, dass das Opfer die besonderen Schmerzen oder Qualen zu einem Zeitpunkt erlitten hat, zu dem bereits Tötungsvorsatz gegeben war.“
Bei der Annahme, Dennis habe zuletzt keinen Hunger mehr verspürt, stützt sich der Bundesgerichtshof auf die Aussage eines Sachverständigen. Die Frage, ob es das Verhalten der Eltern wirklich weniger grausam macht, dass ihr ausgezehrte Sohn vielleicht nicht mehr litt, stellt das Gericht nicht.
So gleichgültig und teilnahmslos waren die Eltern, dass es ihnen jetzt zugute kommt. Das Gericht schreibt: „Es bleibt letztlich offen, ob das Untätigbleiben der Angeklagten nicht insgesamt nur einer von Gedanken- und Hilflosigkeit geprägten, durch Passivität gekennzeichneten Lebensführung entsprang.“ Sie seien mit der Versorgung ihrer sieben Kinder heillos überfordert gewesen. Dem Jungen sei Nahrung nicht verweigert worden. Die Eltern hätten erkannt, dass ihr Sohn immer mehr abmagerte und ganz entkräftet gewesen sei. Sie hätten nichts dagegen unternommen. Deshalb hatten die Cottbuser Richter Mord durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen angenommen. Die Bundesrichter sahen statt dessen vorsätzliche Tötung und Misshandlung von Schutzbefohlenen als gegeben an. Sie meinen, man könne nicht davon ausgehen, dass die Eltern „etwaige Schmerzen körperlicher und seelischer Art bei Dennis noch in der maßgeblichen letzten Phase ihres Unterlassens“ erkannt hätten. Die Bundesrichter verhinderten auch gleich, dass das Landgericht in Cottbus doch wieder wegen Mordes urteilt: „Mit Blick auf den Zeitablauf seit der Tat und die besondere Tatentwicklung ist ausgeschlossen, dass das Landgericht noch Mordmerkmale tragfähig feststellen kann.“
Dennis war 2001 völlig entkräftet in Cottbus gestorben. Seine Mutter hatte die Leiche in einer Tiefkühltruhe versteckt, wo sie 2004 gefunden wurde. Die Eltern waren vom Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ihre anderen Kinder sind in der Obhut des Jugendamtes.
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