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Müllentsorgung in Brandenburg: Illegale Deponien: Kreis-Klage gegen Land scheitert
Wer zahlt für den illegal verklappten Müll in Brandenburg? Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass das Land die Entsorgung an die Kreise übertragen kann. Die Kostenübernahme muss aber nicht mitgeregelt werden.
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Berlin/Potsdam - Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat am Dienstag die Möglichkeit für das Land Brandenburg erleichtert, Aufgaben an die Kreise und Kommunen zu übertragen, ohne gleichzeitig die verfassungsrechtlich gebotene Kostentragung zu regeln. In einem Verfahren um die Zuständigkeit bei illegalen Abfallanlagen urteilten die Richter, dass die Übertragung der Aufgaben und die Regelung der Kosten nicht gleichzeitig erfolgen müssen.
Geklagt hatten zehn Landkreise, darunter das Havelland und Teltow-Fläming, gegen eine 2012 vom Land Brandenburg getroffene Festlegung, ob bei den 108 einzeln aufgeführten illegalen Müllkippen das Land oder der Kreis zuständig ist. Bei dem Streit geht es letztlich um die hohen Kosten, die bei der Entsorgung von Müll – auch aus illegalen Deponien – anfallen können.
Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts wird über die Zuständigkeit von illegalen Halden gestritten
Im Land Brandenburg wurde in den 1990er-Jahren auf zahlreichen Deponien illegal Müll verklappt, aber nicht alle dieser Anlagen sind in den 108 Anlagen genannt, die Liste weist Lücken auf. Außerdem legten zugelassene Unternehmen ihren Betrieb still oder gingen in die Insolvenz und hinterließen deshalb Abfälle auf großen Flächen. Über die Fragen der Zuständigkeit wurde seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts gestritten, ohne dass es zu einer Einigung kam. Seit 2012 sehen sich die Kreise zum Beispiel neuerdings in der Pflicht, wenn genehmigte Anlagen verkleinert werden und ein Teil der Fläche in ihre Verantwortung übergeht.
Die Landkreise fürchten nun, auf Entsorgungskosten sitzenzubleiben. Diese sollen bereits jetzt rund 1,3 Millionen Euro betragen, hieß es in der mündlichen Verhandlung. Außerdem müsse mehr Personal eingesetzt werden. Dies sind nach Meinung der Kreise Mehrkosten, die durch die Neureglung entstehen und die das Land nicht ausgeglichen habe. Genau das aber fordere das in der Verfassung verankerte Konnexitätsprinzip. Das Land vertrat dagegen die Meinung, dass die Verteilung der Deponien insgesamt kostenneutral erfolgt ist.
Landkreise nennen 1,3 Millionen Euro an Entsorgungskosten - mit dem neuen Urteil wird es für Kreise noch schwerer, die Zuständigkeit abzugeben
Welche der beiden Seiten richtig gerechnet hat, das wurde am Dienstag nicht entschieden. Das OVG befand, dass mit einer Weitergabe von Aufgaben an die Kreise nicht unmittelbar eine Entscheidung über die Kosten einhergehen muss. Diese könne auch später und durch ein anderes Gesetz erfolgen. Damit widersprach das Gericht bei der Auslegung der Landesverfassung der Meinung von Rechtsanwalt Ulrich Becker, der die klagenden Landkreise vertrat. Pikant ist, dass Becker selbst Verfassungsrichter in Brandenburg ist.
Für die Kreise und Kommunen bedeutet das Urteil, dass, wenn es Rechtskraft erlangt, sie sich schwerer gegen eine Übertragung von Aufgaben wehren können, die möglicherweise ihren Haushalt verursachen. Ob sie eventuell vor das Landesverfassungsgericht ziehen, dürfte sich erst entscheiden, wenn das schriftliche Urteil vorliegt. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.
Verrechnet? Das Umweltmisterium geht von 1,6 Millionen Tonnen illegalem Abfall aus, tatsächlich sind es fast doppelt so viel
Allerdings bleiben damit weitere Fragen offen: Denn nicht einmal bei der Auflistung der angeblich 108 illegalen Mülldeponien mit 1,6 Millionen Tonnen Abfall hat das Umweltministerium im Jahr 2010 richtig gezählt. Tatsächlich sind es, wie die PNN berichteten, mehr als drei Millionen Tonnen illegaler Müller. Auch die vom Umweltministerium errechneten Gesamtkosten für die Beräumung erhöhen sich nach PNN-Recherchen von 160 Millionen auf 320 Millionen Euro. Die illegale Verklappung von Müll in ausgebeuteten Sand- und Kiesgruben ist in der Liste der Landesregierung gar nicht erfasst. Dass die Zahlen des Ministeriums so stark von den Rechercheergebnissen abweichen, hat mit den Umweltbehörden des Landes und der Landkreise zu tun. Ursache ist der alte, nun vor dem OVG verhandelte Streit, wer für die Umweltsünden verantwortlich ist.
Ingmar Höfgen
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