Brandenburg: Im Partyboot statt auf dem Dampfer
Freizeitkapitäne können ab sofort im Lausitzer Seenland per Boot durch den Koschener Kanal von einem Bergbausee zum nächsten schippern. Die Region hofft auf den Imagewandel – der mehr kostet als geplant
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Senftenberg/Hoyerswerda - Man gibt sich Mühe, viel Mühe – das hier muss klappen. Die Mission ist eine große und eine ganz, ganz teure: „Lausitz“, das soll nicht mehr nach Kohle, Dreck, Tagebau, Mondlandschaften, Umsiedlungen, Klimakiller, Umsiedlungen und langweiligen Braunkohletagebaufolgelandschaften ohne alte Dörfer und Bäume klingen. Mission Neuklang rollt an: Die Assoziationskette soll eine andere werden – „Lausitz“ = Seenkette. Der Landstrich im Süden Brandenburgs und Norden Sachsens soll sich erholen können. Die Zauberformel ist eine alte: Seen ziehen Touristen an, das gibt Arbeitsplätze. Die Art, wie das herbeigeführt wird, auch: Mit Milliarden D-Mark und Euro an Fördergeldern wurden Tagebaulöcher geflutet, Tagebauränder zu Ufern verdichtet und alles zusammen zu Seen erklärt. In vielen kann man weder baden noch angeln, an vielen Ufern nicht flanieren, weil sie nicht sicher sind, ganze Landstriche mussten wegen Rutschungen gesperrt werden. Aber der Anfang ist gemacht. An diesem Samstag soll mit viel Wirbel der Koschener Kanal zwischen Senftenberger See und Geierswalder See an der Landesgrenze von Brandenburg und Sachsen eröffnet werden: der Fanfarenstoß ins Land.
Bootsfahrer können im Lausitzer Seenland dann erstmals von einem künstlichen Gewässer zum nächsten fahren. Als erste Gäste wollen Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein sächsischer Kollege Stanislaw Tillich (CDU) in einem Partyboot die 1050 Meter lange Passage zurücklegen. Die Fahrt gehört zu den dreitägigen 11. Besuchertagen im Lausitzer Seenland.
Der Koschener Kanal, der aus einer Schleuse sowie zwei Tunneln unter der Schwarzen Elster und der Bundesstraße 96 besteht, war wegen einer Kostenexplosion in die Kritik des Landesrechnungshofes geraten. Mit 51 Millionen Euro wurde allein dieses Projekt dreimal teurer als beim Baustart 2009 geplant.
„Dieser Kanal verdeutlicht genau das Charakteristische der Region, nämlich eine architektonische Meisterleistung, den Landschaftswandel sowie den Wandel von der Industrie- zur Tourismusregion“, erläutert Kathrin Winkler, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Lausitzer Seenland. Von dieser Vision fühlten sich Besucher aus Deutschland und dem Ausland angezogen. So seien 2012 mehr als 400 000 Übernachtungen in dem Gebiet von Großräschen (Oberspreewald-Lausitz) bis zum ostsächsischen Boxberg gezählt worden.
Doch die samstägliche Premiere mit Regierungschefs und Partyboot hat eine Peinlichkeit zutage gefördert im alten Tagebauloch: Zur Eröffnung des schiffbaren Kanals können an diesem Wochenende nur Boote hindurchfahren. Das alte Fahrgastschiff „Santa Barbara“, das seit Jahren auf dem Senftenberger See mit Passagieren unterwegs ist, könne den Kanaltunnel unter der Schwarzen Elster wegen der hohen Kapitänsaufbauten nicht passieren, sagte Uwe Steinhuber, Sprecher des Bergbausanierers Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), in Senftenberg. Man hatte am einzig existierenden Fahrgastschiff vorbeigeplant. Nun zieht es weiter seine Kreise nur auf einem Binnensee, inmitten einer Seenkette – die Brücken sind zu flach. Denn beim Bau des 1050 Meter langen Kanals zwischen Senftenberger und Geierswalder See an der Landesgrenze von Brandenburg und Sachsen sei das Höhenniveau der Schwarzen Elster maßgeblich gewesen, erläuterte Steinhuber. Der Kanal unterquert bei Großkoschen (Oberspreewald-Lausitz) zwei Brücken, die die Schwarze Elster und die Bundesstraße 96 tragen.
Für den geplanten Linienverkehr mit Fahrgastschiffen (flachere als das real existierende) auf beiden Lausitzer Seen lief eine europaweite Ausschreibung. Sie wurde jedoch abgebrochen, weil kein passendes Angebot vorlag. Mit den beiden Bewerbern aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern werde aber weiter verhandelt, sagte der Geschäftsführer des sächsischen Zweckverbandes Lausitzer Seenland, Daniel Just. Ziel sei, von 2014 an in der Region ein Fahrgastschiff zwischen beiden Bundesländern einzusetzen – nur eben nicht die „Heilige Barbara“, benannt nach der Schutzpatronin der Bergleute, die die Grube, die nun See ist, einst schufen.
Doch für die Zukunft sei das nur ein Schönheitfehler und nicht von Belang, sagen die Verantwortlichen. Schließlich sind in den vergangenen Jahren in der Region Badestrände, Ferienparks sowie Campingplätze entstanden, zudem wurden schwimmende Häuser und der Stadthafen in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) gebaut. Das alles gelang nur deshalb, weil zuvor die LMBV viel Steuergeld in die Sanierung der verwüsteten Landschaft leitete. „Die Financiers der Braunkohlensanierung haben über die LMBV bislang 5,3 Milliarden Euro in die Wiedernutzbarmachung der einstigen Lausitzer Bergbaugebiete investiert“, berichtet Unternehmenssprecher Uwe Steinhuber. „Vielfach wurde Pionierarbeit geleistet, die in ihrer Dimension und Komplexität keinen Vergleich in der Welt scheuen muss.“ Torsten Richter (mit pet)
Torsten Richter (mit pet)
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