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Brandenburg: Im Tiefflug auf Munitionssuche

Ehemaliger Truppenübungsplatz bei Bad Liebenwerda soll als Heidelandschaft erhalten bleiben

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Bad Liebenwerda - Das Flugzeug gleitet in wenigen Metern Höhe über den Boden. Von der Maschine aus sucht Dirk Frach im Naturschutzgebiet „Forsthaus Prösa“ bei Bad Liebenwerda (Elbe-Elster) nach alter Munition. Der ehemalige Truppenübungsplatz hat sich seit seiner Schließung im Jahr 1990 zu einer ökologisch bedeutenden Heidelandschaft entwickelt, in der zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten leben. Mit der sogenannten Aerosondierung, der Munitionssuche aus der Luft, sollen militärische Altlasten aufgespürt werden. Die Munitionssuche sei ein wichtiger Meilenstein für die weitere Arbeit, sagt Projektleiter Björn Conrad.

Nicht überall in Brandenburg kann auf den alten Militärflächen nach Munition gesucht werden – es fehlt das Geld. Und: Brandenburg hat einfach zu viele munitions- und kampfmittelbelasteter Flächen. Allein 100 000 Hektar hat das Land nach dem Abzug der russischen Streitkräfte 1994 vom Bund übernommen. Hinzu kommen noch die Flächen der DDR-Armee und Areale wie die Ravensberge bei Potsdam oder die Umgebung von Oranienburg – Flächen, über denen die Alliierten nach der Bombardierung von Städten und Industrieanlagen die restliche „Bombenlast“ abwarfen.

Erst in der Vorwoche brannte bei Jüterbog ein 200 Hektar großes Stück eines ehemaligen Übungsplatzes ab. Wie berichtet konnten die Feuerwehren nicht auf das Gelände, da immer wieder Altmunition explodierte. Der Platz wurde etwa 120 Jahre von Militärs als Übungsgelände genutzt. Bisher fehlte das Geld für die systematische Suche.

Anders in „Forsthaus Prösa“, dort steuert Pilot Frach, zu DDR-Zeiten Agrarflieger, sein Fluggerät systematisch über Wald und Heise steuert. Zur Munitionssuche nutzt der 67-Jährige ein umgerüstetes Ultraleichtflugzeug. Das sechs Meter breite Gefährt wiegt rund 300 Kilogramm. Angetrieben von einem 80-PS-Motor gleitet die Maschine mit einer Geschwindigkeit von 150 Kilometern pro Stunde über den Boden.

Mehr als 8800 Stunden hat Frach schon in der Luft verbracht. „Der Flug mit einem so kleinen Segler ist immer etwas besonderes“, sagt der Pilot. „Wird der Wind stärker, besteht die Gefahr, abgetrieben zu werden.“ Der Wetterbericht ist deshalb für ihn besonders wichtig. Vom benachbarten Sportflugplatz in Finsterwalde aus startet er zum Flug über das Naturschutzgebiet. Die Maschine ist mit dem Magnetfeldmesssystem einer Firma aus Wandlitz ausgerüstet, das metallische Objekte bis zu einer Tiefe von einem Meter erfasst. Bei einer Überflughöhe von zwei bis drei Metern lokalisieren die Magnetfeldsonden über eine GPS-Positionierung die Objekte zentimetergenau. Die Vorteile gegenüber der sonst gebräuchlichen terrestrischen Handsondierung sind der bessere Schutz des Personals und die geringeren Kosten. Diese liegen mit 70 Euro pro Hektar deutlich unter denen der Handsondierung, für die etwa 1400 Euro pro Hektar bezahlt werden müssten.

„Aus den gewonnenen Daten wird eine Belastungskarte erstellt“, erläutert Conrad. Diese dient als Grundlage für den anschließenden Umgang mit der Fläche. „Es ist geplant, in gering belasteten Bereichen die Munition gezielt zu räumen“, sagt der Projektleiter. Stark belastete Bereiche sollen dagegen von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossen werden.

Im einem auf vier Jahre konzipierten Forschungsprojekt will die Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg in dem Areal Maßnahmen entwickeln, mit deren Hilfe die großen sogenannten Offenlandschaften der ehemaligen Truppenübungsplätze naturschutzgerecht gepflegt werden können. „Die kontinentalen Heiden Brandenburgs sind aus Sicht des Naturschutzes besonders wertvoll“, sagt Conrad zur Begründung.

Auf der Grundlage des Projekts sollen später Empfehlungen für den Umgang mit Munitionsbelastung für die anderen 38 Heidegebiete von ehemaligen Militärflächen in Brandenburg abgeleitet werden. Ein weiteres Ziel ist die ökonomische Nutzung der Areale durch eine neuartige Kombination aus Beweidung, Mahd und Energieholzgewinnung.

"Wir wollen die Ziele des Naturschutzes mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang bringen und dadurch eine nachhaltige Erhaltung der Heidelandschaften erreichen“, sagt der 36-jährige Forstwissenschaftler.

Durch die Verwertung des Mahdgutes und des Energieholzes sollen vor Ort kleine und mittelständige Unternehmen aus der Region gefördert werden. Da ein gewisses Restrisiko nicht erkannter Kleinmunition bestehen bleibt, ist vorgesehen, die Kabinen der künftigen Nutzfahrzeuge zusätzlich zu schützen. „Hier findet ein intensiver Erfahrungsaustausch mit der Geländebetreuung der Bundeswehr statt“, berichtet Conrad.

Das 3695 Hektar große Naturschutzgebiet „Forsthaus Prösa“ ist Bestandteil des Naturparks Niederlausitzer Heidelandschaft. Wichtiges Entwicklungsziel ist der Erhalt der Heideflächen, die durch die militärische Nutzung entstanden. In dem Schutzgebiet leben unter anderem Wildbienen, verschiedene Heuschreckenarten sowie seltene Vögel wie Steinschmätzer, Braunkehlchen und Ziegenmelker.

Lars Hartfelder

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