
© Michale Billig
Brandenburg: Immer Ärger mit dem Abfall
Die Müll-Mafia spielt in Brandenburg auf Zeit – und die Justiz spielt mit.
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Potsdam - Die strafrechtliche Verfolgung der Müll-Mafia in Brandenburg stockt. Am heutigen Freitag wollte das Landgericht Potsdam ursprünglich den Fall von Silvio und Dirk R. zum Abschluss bringen. Doch daraus wird nichts. Die beiden Entsorgungsunternehmer aus dem Havelland haben ihre Geständnisse widerrufen. Acht Jahre nach Aufdeckung des Müllskandals ist noch immer kein rechtskräftiges Urteil in Sicht.
Es ist ein Spiel auf Zeit. Und die Zeit, sie läuft für die Müll-Mafia. Je länger ein Verfahren andauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Justiz milde mit den Müllsündern umgeht. Das hat die Vergangenheit schon oft gezeigt. Und so wird es vermutlich auch dieses Mal kommen. Dabei hätte der Fall von Silvio und Dirk R. längst im Archiv ruhen können. Denn die beiden Brüder hatten bereits Geständnisse abgelegt. Demnach versteckten sie in einer Altdeponie, die sie eigentlich rekultivieren sollten, unerlaubterweise Abfall. Bis ins Jahr 2009 hinein missbrauchten sie außerdem die Kiesgrube Warsow bei Friesack als schwarze Halde. Diese Müllsünde stellt eine Gefahr für die Umwelt dar. „Es ist von einer deutlichen Beeinträchtigung des Grundwassers auszugehen“, heißt es in einem Gutachten, das den PNN vorliegt.
8,8 Millionen Euro würde es kosten, den Müll herauszuholen und zu entsorgen
Zehntausende Tonnen Dreck sollen es insgesamt sein, die auf das Konto von Silvio und Dirk R. gehen. Rund 8,8 Millionen Euro würde es dem Gutachten zufolge allein kosten, den Müll aus der Grube Warsow wieder herauszuholen und fachgerecht zu entsorgen. 2012 verurteilte das Landgericht Potsdam die Brüder zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu einer Zahlung von 700 000 Euro. Doch bis heute ist dieses Urteil nicht rechtskräftig. Die Strafe fiel härter aus, als es die beiden Männer offenbar nach ihren Geständnissen erwartet hatten. Sie legten Revision ein und so landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH überwies ihn zurück ans Landgericht. Das wollte nun endlich zu einem Ende kommen und setzte in dieser und in der vergangene Woche insgesamt fünf Verhandlungstermine an.
Die Sache sollte jetzt schnell über die Bühne gehen. Doch abermals kam es anders. Einen Tag vor dem ersten Termin zogen die Brüder ihre Geständnisse zurück. Das Gericht hat daraufhin alle Verhandlungstermine gestrichen. Zu den Gründen für ihren Widerruf will sich Silvio R. nicht öffentlich äußern. „Dazu sage ich nichts“, so der Entsorgungsunternehmer am gestrigen Donnerstag auf PNN-Nachfrage. Ob der Widerruf bedeutet, dass er den Müll nicht illegal entsorgt hat? „Ich beantworte keine Fragen“, fügte er am Telefon hinzu und legte auf.
Aufklärung des Müllskandals muss nun von vorne beginnen
Vorläufig werden sich Dirk und Silvio R. auch nicht vor Gericht äußern müssen. Mit der Neuansetzung des Verfahrens ist in diesem Jahr jedenfalls nicht mehr zu rechnen, wie eine Gerichtssprecherin sagt. Die Aufarbeitung dieses Müllskandals muss nun von vorn beginnen – und dürfte noch schwieriger werden. Nicht nur, dass Erinnerungen von Zeugen über die Jahre verblassen. Ein Sachverständiger, auf den sich die Anklage unter anderem stützt, ist mittlerweile verstorben.
Ähnlich verlief es bei einem anderen Fall, dem sogenannten Markendorf-Komplex. Dort dauerte es sieben Jahre von der Anklage bis zur Gerichtsverhandlung. Erst im Mai dieses Jahres, kurz bevor die Sache zu verjähren drohte, ging es los. Ende Juli verurteilte das Landgericht Potsdam vier Männer, die in der Kiesgrube Markendorf (Teltow-Fläming) im großen Stil illegal Müll entsorgten, zu Geld- und Bewährungsstrafen.
Das jahrelange Warten auf die juristische Aufarbeitung begründete der Vorsitzende Richter mit der „hohen Arbeitsbelastung“ des Gerichts. Die „rechtsstaatswidrige Verzögerung“, so der Richter, habe zu einem „erheblichen Abschlag bei der Strafzumessung“ geführt.
Müll-Ganoven müssen nur selten ins Gefängnis
Ohne Urteil endete Mitte Oktober das Verfahren gegen einen Mann, der laut Staatsanwaltschaft Cottbus von Januar bis August 2007 als Betriebsleiter der Kiesgrube Tröbitz (Elbe-Elster) an illegaler Müllentsorgung beteiligt gewesen sein soll. Der Prozess wurde gegen eine Geldauflage in Höhe von 1000 Euro eingestellt. Die Verhandlung gegen einen der mutmaßlichen Haupttäter steht indes noch aus.
Dass ein Müll-Ganove ins Gefängnis muss, kommt sehr selten vor. Von 1994 bis 2015 gab es in Brandenburg wegen illegaler Müllgeschäfte exakt 778 Verurteilungen. Das geht aus Zahlen des Justizministeriums hervor. Zwar verhängten die Gerichte 57 Mal eine Freiheitsstrafe, setzten diese Strafe aber meistens zur Bewährung aus. Hinter Gitter ging es nur in neun Fällen. In 90 Prozent ihrer Urteile beließen es die Richter bei einer Geldstrafe.
Michael Billig
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