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Brandenburg: Inbesitznahme ohne politische Steuerung 56 Reform-Grundstücke zurückgegeben

Potsdam – Die vom Bundesgerichtshof als „sittenwidrig“ gerügte Inbesitznahme von zehntausend Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg ging offenbar auf „Eigenleben“ des Regierungsapparates zurück – ohne politische Steuerung durch das Kabinett oder die Spitze des zuständigen Finanzministeriums. Zu diesem Zwischen-Fazit kommt selbst die oppositionelle Linke im Bodenreform-Untersuchungsausschuss des Landtages, der auf ihren Antrag im April einberufen worden war und nach der Sommerpause am 9.

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Potsdam – Die vom Bundesgerichtshof als „sittenwidrig“ gerügte Inbesitznahme von zehntausend Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg ging offenbar auf „Eigenleben“ des Regierungsapparates zurück – ohne politische Steuerung durch das Kabinett oder die Spitze des zuständigen Finanzministeriums. Zu diesem Zwischen-Fazit kommt selbst die oppositionelle Linke im Bodenreform-Untersuchungsausschuss des Landtages, der auf ihren Antrag im April einberufen worden war und nach der Sommerpause am 9. September seine Arbeit wieder aufnehmen wird. „Es ist erschütternd, dass die Regierung keinen politischen Einfluss genommen hat, um die Abwicklung der Bodenreform zu begleiten oder zu kontrollieren“, sagte Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion am Freitag vor Journalisten in Potsdam. Insbesondere die Beteiligungs-Abteilung im Finanzministerium habe sich offenbar bis in die Amtszeit des heutigen Ministers Rainer Speer (SPD) hinein „verselbständigen“ und „von der Hausspitze“ völlig abnabeln können, wodurch die „systematische Inbesitznahme“ möglich wurde. Görke kündigte allerdings an, dass die Linke weitere Zeugen hören lassen will, so Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), Ex-Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD), den Potsdamer Notar Peter Arntz, der die Umschreibung von Bodenreformland durch Landesvertreter in Landeseigentum verweigert hatte, der „Grundbuchpabst“ Prof. Walter Böhringer sowie Ministerielle unterer Ebenen.

Davon verspricht sich die Linke weitere Klarheit, obwohl nach Worten von Görke das Bild der Enteignungspraxis rund wird. Die Obleute der Linksfraktion hatten in den letzten Wochen noch einmal die Protokolle der bisherigen sechs Zeugenvernehmungen und hunderte Meter Akten „gründlich“ studiert. Sie sehen danach die Einsetzung des Ausschusses, der das Land rund 400 000 Euro kostet, bestätigt. Denn nach den bisherigen Erkenntnissen der Linken kann man nach Worten von Görke mit „Fug und Recht“ von einer „Landnahme“, bei der unbekannte und damit wehrlose Erben von Bodenreformland durch die öffentliche Hand Brandenburgs um ihr Eigentum gebracht wurden. Denn am 3. Oktober 2000 lief die Frist ab, bis zu der Brandenburg regulär Ansprüche auf ausgewählte Bodenreformgrundstücke bekannter Erben – Bedingung war der Nachweis: diese waren zu DDR-Zeiten nicht in der Landwirtschaft tätig – stellen konnte. Doch in den Sommermonaten vorher veranlassten die Potsdamer Ministerien die Überführung von zehntausend Grundstücken, für die man bei der Erbensuche nicht fündig geworden war, ins Eigentum des Landes Brandenburg. „Damit beschritt Brandenburg in Ostdeutschland einen Sonderweg“, sagte Görke. Möglicherweise sei sogar nach dem Stichtag am 3. Oktober 2000 damit fort gefahren worden, neue Eintragungen des Landes in solche Grundbücher zu veranlassen.

Bei der Aufarbeitung der sogenannten Bodenreform-Affäre hat das Land Brandenburg bisher in 56 Fällen Land an berechtigte Erben zurückgegeben.

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