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Trend. Beim Einkauf achten Verbraucher immer stärker auf Regionalität.

© dapd

Verbraucherschutz: Informationen zu regionalen Lebensmitteln in der Kritik

Eine Überprüfung von 61 Produkten bei mehreren Handelsketten im Land Brandenburg zeigte Mängel bei Angaben zur Herkunft der Zutaten auf

Von Matthias Matern

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Potsdam - Regionalität schafft Vertrauen und füllt die Kassen. Längst hat sich diese Schlussfolgerung für Lebensmittelhändler und -produzenten als Erfolgsrezept erwiesen. Nicht zuletzt wegen der zahlreichen Lebensmittelskandale vergangener Jahre hat sich das Verbraucherverhalten verändert. Statt Produkte anonymer Herkunft sind Lebensmittel heimischer Erzeuger immer stärker gefragt.

Mit Werbeslogans wie „Aus unserer Region“ oder „Gutes aus dem Osten“ machen sich auch Supermärkte und Discounter in Berlin und Brandenburg die gewachsene Verunsicherung zunutze. Doch oft halten die feilgebotenen Waren nicht, was die Werbung verspricht. Nach einer Überprüfung von 61 Produkten bei Handelsketten der Region im vergangenen Monat hat die Verbraucherschutzzentrale Brandenburg ein ernüchterndes Fazit gezogen: Bei mehr als 90 Prozent der Waren waren weder im Werbeblatt noch am Produkt oder im Verkaufsregal erkennbar, ob die Zutaten wirklich aus der Region stammten, so die Verbraucherschützer.

Annett Reinke, Referentin für Lebensmittelrecht bei der Verbraucherschutzzentrale, kritisiert eine Irreführung der Verbraucher und fordert eindeutige gesetzliche Bestimmungen zur Kennzeichnung. „Im Vertrauen auf die Herkunft der Rohstoffe aus heimischem Anbau sind Konsumenten häufig bereit, mehr zu bezahlen.“

Doch nicht selten würden die Zutaten für Waren, die als „regional“ beworben werden, von weiter herkommen. Ein Beispiel sei etwa das „Werder Tomaten Ketchup“ der Firma Werder Feinkost GmbH aus Werder/Havel (Potsdam-Mittelmark). „Sie bekommen einfach nicht heraus, woher die Tomaten stammen“, meint Reinke. Auch die Milchprodukte der Marke „Mark Brandenburg“ der Molkerei Campina-Friesland kämen nicht per se aus dem Land Brandenburg. Im vergangenen Jahr hatte die niederländische Molkerei sogar die Schließung ihres einzigen brandenburgischen Werkes in Elsterwerda (Elbe-Elster) bekannt gegeben.

Doch nicht nur in Berlin und Brandenburg wird Regionalität häufig nur vorgegaukelt. Auch in anderen Bundesländern testeten die Verbraucherschutzzentralen im Mai die Auslagen. In Baden-Württemberg etwa fanden die Verbraucherschützer heraus, dass der Rahm einer Schlagsahne, die unter dem Siegel „Qualität aus Baden-Württemberg“ angepriesen wurde, aus Hessen stammte und vermeintlich heimische Dosenlinsen aus Holland.

Vorgaben für eindeutige Herkunftsangaben fordern die Verbraucherschützer bereits seit Jahren. „Verantwortlich für die Kennzeichnung sind die Hersteller“, sagt Annett Reinke. Gesetzliche Vorgaben dagegen müsste der Bund machen. Doch weder bei der Lebensmittelindustrie noch in der Bundesregierung sei die Forderung bislang auf Gehör gestoßen.

Beim Verband zur Förderung des ländlichen Raums im Land Brandenburg Pro Agro, dessen Aufgabe auch die Vermarktung märkischer Produkte ist, ist man auf die Schummelkonkurrenz nicht gut zu sprechen. „Man muss darauf achten, dass große Handelsketten Regionalität nicht nur vortäuschen und damit echten regionalen Erzeugern den Absatz erschweren“, findet Pro Agro-Geschäftsführer Gerd Lehmann. Allerdings könne man Regionalität nicht nur von der Herkunft der Rohstoffe abhängig machen. Aus Verbandssicht sei ein Produkt auch typisch brandenburgisch, wenn nur der entscheidende Verarbeitungsschritt im Land erfolge. „In Brandenburg gibt es keine einzige Mälzerei. Darf es deshalb auch kein typisch brandenburgisches Bier geben?“ Eine Kennzeichnungspflicht für die Herkunft der Zutaten halte er deshalb nicht für notwendig.

Im brandenburgischen Verbraucherschutzministerium will man sich auf die Forderung ebenfalls nicht einlassen. „Sicherlich wäre es erstrebenswert, wenn möglichst viele Informationen auf den Produkten stünden. Allerdings könnte dies die Verbraucher auch überfordern“, heißt es aus dem Ministerium.

Dieser Meinung ist auch Andreas Laubig, Sprecher der Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover, die auch das Gebiet Berlin-Brandenburg abdeckt. Knapp 280 Edeka-Märkte gibt es in der Hauptstadtregion. „Ich glaube, mit dieser Forderung schießen wir etwas über das Ziel hinaus. Verbraucher sind oft gar nicht willens, alle Aufdrucke zu studieren“, meint Laubig. Es sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass in der Branche auch „Schindluder“ getrieben werde. „Dafür ist das Thema einfach zu attraktiv. Alle spielen auf dieser Klaviatur.“

Für ihr Gebiet hat die Regionalgesellschaft eine eigene Definition für Regionalität. „Regional ist alles, was entweder im Umkreis von 30 Kilometern eines Marktes angebaut wird oder wo das Gros der Wertschöpfung in diesem Radius erzielt wird“, erläutert der Edeka-Sprecher. Es könne jedoch immer wieder mal vorkommen, dass ein Produkt versehentlich falsch platziert werde. „Fehler passieren.“

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