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Brandenburg: Irrationales Brandenburg

Michael Mara

Stand:

Michael Mara Bis vorgestern lag die PDS in allen Umfragen zur Landtagswahl noch klar vorn. Jetzt ist es plötzlich die SPD - eine kleine Sensation bei der anhaltenden Krise der Sozialdemokraten, die gerade im Saarland haushoch verloren haben. Vor nur drei Monaten sah es noch völlig anders aus: Die CDU lag in der Wählergunst klar vor SPD und PDS. Nach dem Sieg bei den Kommunalwahlen galt die Union bei vielen bereits als Gewinner auch der Landtagswahl. Nun ein ganz anderes Bild. Innerhalb weniger Tage wird der Wähler mit sich widersprechenden Umfrage-Ergebnissen konfrontiert. Wie kann das gehen? Was ist da los? Wieso kommt es in kurzer Zeit zu so dramatischen Verschiebungen? Das Merkwürdige: An der Landespolitik kann es nicht liegen. In den letzten Wochen ist im Grunde nichts Aufregendes passiert. Keine spektakulären Pannen, keine Skandale, die die Meinungsumschwünge verursachen könnten. So gibt es wohl nur eine Erklärung: Die Gerechtigkeits-Debatte um Hartz IV hat alles ins Rutschen gebracht. Bei den Wahlveranstaltungen bekommen Brandenburgs Politiker den Frust und die Verdrossenheit über „die da oben" und über „die im Westen" zu spüren. Die ohnehin labilen Parteienbindungen im Osten weichen immer weiter auf. Selbst die Anhänger von SPD, CDU und PDS fragen sich, ob sie die Parteien, den sie bisher ihre Stimme gaben, noch wählen sollten. Man traut ihnen nichts mehr zu. Das muss zu denken geben. Die Ratlosigkeit und die Unsicherheit sind so groß, dass selbst die Demoskopie zunehmend an ihre Grenzen stößt. Jeder zweite Wähler weiß nicht, ob und was er wählen soll. Selbst Meinungsforscher sind verunsichert, weisen auf Fehlerquoten von drei Prozent und mehr hin, wagen keine seriöse Prognose über den Ausgang der Wahl. Das hat es so bisher auch in diesem Land noch nicht gegeben. Emotionen und Irrationalität regieren, was die Politik noch ratloser macht. Eine Folge des allgemeinen Wähler-Verdrusses: die kleinen Parteien und leider auch die braunen „Schnauze-Voll“-Wählerfänger von der DVU profitieren davon. Es sieht so aus, dass ausgerechnet die Privatpartei des Münchner Verlegers und Millionärs Gerhard Frey, die keine öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen macht und ihren Vorsitzenden versteckt, wieder im Landtag vertreten sein wird. Obwohl sie für das Land nichts bewirkt hat und nichts bewirken kann. All das heißt aber auch: Das Land und seine Menschen suchen nach Orientierung, nach Persönlichkeiten, denen sie vertrauen können. Ministerpräsident Matthias Platzeck ist, wie alle Umfragen zeigen, trotz allem die übergreifende Autorität im Land. Das könnte den Aufwind der SPD erklären.

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