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VERKEHRSSICHERHEIT: „Je kleiner die Straße, desto schlechter der Zustand“
Autofahrer können online Schlaglöcher melden. Spitzenreiter ist Berlin. In BRandenburg gibtr es vor allem an kleineren Ortsstraßen viele Mängel.
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Berlin/Potsdam - Berlins Straßen geben offenbar häufiger Anlass zum Ärger, als die Straßen in anderen Bundesländern. Im Land Brandenburg dagegen werden Schäden an Fahrbahnen vergleichsweise selten beklagt. Das zumindest ist das vorläufige Ergebnis der seit anderthalb Jahren laufenden Schlagloch-Melde-Aktion des Auto Club Europas (ACE) mit Sitz in Stuttgart. Seit Anfang 2011 wurden demnach bundesweit 1471 Fälle über ein extra eingerichtetes Onlineformular auf der ACE-Internetseite gemeldet. „Im Verhältnis zum nur rund 5000 Kilometer umfassenden Gesamtstreckennetz der Stadt ist Berlin mit 133 Meldungen bislang trauriger Spitzenreiter“, bestätigte ACE-Schlagloch-Sheriff Harald Kraus am Freitag den PNN. Brandenburg stehe dagegen mit 40 Meldungen vergleichsweise gut da.
Rückschlüsse auf die generelle Zufriedenheit der Bürger mit dem Zustand ihrer Straßen ließen die Zahlen der gemeldeten Schlaglöcher allerdings nur bedingt zu, räumte Kraus ein. „Der Grad der Teilnahme am Meldeverfahren hängt natürlich auch vom Bekanntheitsgrad des Angebots ab.“ Am meisten Fälle wurden demnach aus Nordrhein-Westfalen gemeldet (381). Das entspricht laut ACE 28 Prozent aller Meldungen. Auf dem zweiten Platz landet bislang Baden-Württemberg mit 354 Meldungen und einem Anteil von 24 Prozent. Aus Brandenburg wurden lediglich 2,7 Prozent aller Straßenschäden gemeldet, aus Berlin kamen immerhin neun Prozent. Nicht außer Acht gelassen dürfe dabei, dass das Gesamtstraßennetz Nordrhein-Westfalens beinahe 30 000 Kilometer umfasse, das Berlins aber nur knapp 6000 Kilometer, gab Kraus zu bedenken.
Heftige Kritik an den beiden Landesregierungen Berlins und Brandenburgs wegen des Zustands der Straßen und der mangelnden Bereitschaft der Länder, Geld für die Instandhaltung bereitzustellen, hatten vor wenigen Tagen die regionalen Bauverbände geübt. Von Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) etwa forderten der Bauindustrieverband und die Fachgemeinschaft Bau die Freigabe von den bereits genehmigten 25 Millionen Euro für die Schlagloch-Sanierung. Brandenburgs rot-rote Landesregierung kristisierten beide Verbände für die geplante schrittweise Kürzung der Mittel für Straßenbau und Instandhaltungsmaßnahmen. Bis zu 400 Arbeitsplätze in der Baubranche seien durch ausbleibende Investitionen gefährdet, warnten die Funktionäre.
Generell sei der Zustand der gemeindlichen Straßen in Deutschland allerdings deutlich schlechter als der der Straßen in Landesverwaltung, berichtete Kraus vom ACE ein weiteres Fazit der Meldeaktion. Am wenigsten Beschwerden seien zum Zustand der Autobahnen eingegangen. „Je kleiner die Straße, desto schlechter der Zustand“, sagte Kraus.
Nach Angaben des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes stehen in Brandenburg knapp 800 Kilometer Bundesautobahn und rund 2800 Kilometer Landesstraßen den rund 5800 Kilometern Kreis- und 1270 Kilometern Gemeindestraßen gegenüber. „Auch bei den kommunalen Straßen gibt es einen erheblichen Investitionsstau“, bestätigte am Freitag der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes im Land, Karl-Ludwig Böttcher. „Vor allem die letzten beiden Winter haben uns böse mitgespielt.“ Jedoch seien die Städte und Gemeinden nur in der Lage das Nötdürftigste zu machen, sagte Böttcher. Eigentlich wären an vielen Stellen generelle Sanierungsmaßnahmen angebracht. „Der ADAC hatte von 80 Millionen Euro gesprochen, die notwendig sind, um die gravierendtsten Schäden zu beheben. Und das galt nur für die Folgen eines Winters“, verdeutlichte der Verbandschef. Angesichts der immer schwierigeren finanziellen Lage der Kommunen sei es angebracht, vielleicht auch einmal über manche gesetzliche Ausbaustandards nachzudenken. „Die Anforderungen sind für viele Kommunen einfach nicht mehr zu stemmen“, meinte Böttcher. „Vielleicht reicht auch mal ein einspuriger Ausbau mit entsprechenden Ausweichstellen statt Hochgeschwindigkeitspisten, für die später wieder eine Verkehrsberuhigung eingebaut werden muss.“
Desinteresse an Fahrkomfort und -sicherheit der Steuerzahler kann man nach Kraus’ Meinung den Behörden zumindest nicht vorwerfen. Nachdem er die jeweiligen Beschwerden an die zuständigen Verwaltung weitergeleitet hat, fragt er rund vier Wochen später beim ursprünglichen Melder der Schadstelle nach, ob bereits Maßnahmen eingeleitet worden seien. „Immerhin knapp 70 Prozent der Meldungen haben dazu geführt, dass die Schäden zumindest provisorisch behoben wurden“, berichtete der ACE-Schlagloch-Sheriff. Allerdings sei zumeist sogenannter Kaltasphalt verfüllt worden. „Flickschusterei, keine nachhaltige Reparatur also“, so Kraus. Somit sei die Aktion ein Erfolg und werde deshalb auch weitergeführt. In drei Prozent der Fälle hatte die Behörde angeblich ohnehin eine grundlegende Sanierung der beanstandeten Fahrbahn geplant, bei ebenfalls drei Prozent habe es geheißen, die Meldung sei aus Sicht der Verwaltung gar nicht berechtigt, sagte Kraus. „Bei 23 Prozent der Meldungen passierte gar nichts.“
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