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Brandenburg: „Jedes Versuchstier ist eines zu viel“

Axel Mueller ist seit Jahrzehnten Mitglied in der brandenburgischen Tierversuchskommission. Er hält Versuche prinzipiell zwar für notwendig, befürwortet aber die Suche nach möglichen Alternativen

Stand:

Wie oft lehnt die Tierversuchskommission denn geplante Vorhaben ab?

In Brandenburg wurden bislang nur ganz wenige Anträge versagt. Die Kommission hat eine beratende Funktion für die Behörde. Diese fällt die Entscheidung über eine Genehmigung. In 20 Jahren ist die Tierschutzbehörde unserer Empfehlung immer gefolgt, da durch Qualifizierung und Beratung der Antragsteller die Qualität der Anträge und damit der Erkenntnisgewinn und die ethische Vertretbarkeit besser begründet wurden. Von den Antragstellern hat in dieser Zeit übrigens nie einer gegen die Ablehnung geklagt.

Welche Kriterien gelten für Versuche?

Nur ein Versuch mit im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn vertretbaren Eingriffen und Belastungen wie Schmerzen wird genehmigt. Jedes „verbrauchte“ Tier ist uns eben auch eines zu viel. Kommt es zur Ablehnung, kann der Antragsteller bei einer mündlichen Anhörung Gründe vortragen.

Wurden Sie dabei schon umgestimmt?

Wir waren einmal entsetzt über eine Schilddrüsenoperation am Schwein, bei der die Geräte durch den Mund eingeführt werden sollten. In der Anhörung stellte sich aber heraus, dass das Verfahren für bestimmte Patienten mit anderen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetiker eine Alternative darstellt, weil bei ihnen Wunden in der Haut schlecht verheilen. Danach haben wir es als eine ethisch plausible Sache betrachtet.

Radikale Tierschützer lehnen Versuche trotzdem komplett ab.

Diese Personengruppe bedenkt dabei nicht, was alles als Tierversuch genehmigungspflichtig ist. So gibt es eine ganze Reihe von Anträgen, bei denen etwas für den Artenschutz getan wird. So werden Wildtiere mit Sendern versehen, um die Gefahr zu untersuchen, die von Autobahnen und Straßen ausgeht. Aber es stimmt: Nach wie vor gibt es militante Tierschützer, die Käfige zerstören. Den freigelassenen Tieren hilft das aber nicht unbedingt. Was wir brauchen, sind zielgerichtete Prüfungen, ob man Tierversuche zum Beispiel durch Tests mit Zellkulturen ersetzen kann.

Wird es angesichts der Masse an Versuchen nicht immer auch welche geben, die nicht sein müssten?

Natürlich gibt es die. Nehmen Sie das Tollwutserum: Es ist immer noch vorgeschrieben, dass es am Tier geprüft wird. Deswegen werden Mäuse infiziert und mit verschiedenen Dosen des Serums behandelt. Dabei gibt es immunologische Verfahren, um die Wirksamkeit zu testen. Die Forderung, alle Tierversuche abzuschaffen, ist aber weltfremd oder gesellschaftsfremd. Auch derjenige, der das fordert, wird die Tollwutspritze im Notfall nicht ablehnen.

Die Fragen stelle Alexander Riedel

Axel Mueller (68),

ist promovierter

Zoologe und Mitglied im Naturschutzbund (Nabu) und seit mehr als 20 Jahren

arbeitet er

in der Tierversuchskommission

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