Brandenburg: Jugendliche stechen immer häufiger zu
Bei Gruppengewalt sind meistens Messer im Spiel. Berlins Justizsenatorin will Waffengesetz erneut verschärfen
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Berlin - Dutzende Male hat der 16-jährige Amokläufer auf ahnungslose Passanten am Freitagabend in Berlin-Mitte eingestochen. Seine Waffe: ein Messer. Die Tat mag ein extremer Einzelfall sein – dass ein Messer dabei war, ist es nicht. Die Zahl jugendlicher Gewalttäter, die zu Stichwaffen greifen, nimmt weiter zu. Laut Berliner Polizeistatistik sind Messer bei jugendlichen Gewalttätern die mit Abstand beliebtesten Waffen. Sie wurden in etwa zwei Dritteln der 991 registrierten Fälle von Jugendgruppengewalt mit Waffengebrauch eingesetzt. Schreckschusswaffen oder Tränengas spielten eine weit geringere Rolle. Nach Polizeiangaben wurde etwa in jedem siebten Fall von Jugendgewalt eine Waffe eingesetzt.
Bei der Zahl der Verstöße gegen das Waffengesetz hatte es 2005 mit 2666 wieder einen Rückgang gegeben – nachdem 2004 eine Rekordzahl von 3087 Fällen erreicht wurde. Seit der Verschärfung des Waffengesetzes im Frühjahr 2003 sind zum Beispiel auch Butterfly-Messer verboten.
Doch das schärfere Gesetz hat an der Beliebtheit von Waffen bei Jugendlichen nach Einschätzung von Experten nicht viel geändert. Die meiste Jugendlichen begründen das Tragen von Messern damit, dass sie sich verteidigen und vor Angriffen schützen müssten. „Die Gefahr liegt natürlich darin, dass sie ein Messer auch als Waffe benutzen können“, sagt Justizsenatorin Karin Schubert (SPD).
Die Statistik verzeichnet im vergangenen Jahr 894 Gewalttaten an Berliner Schulen. In 70 Fällen waren Waffen – nicht nur Messer – im Spiel – sieben Fälle mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der Bedrohung mit Waffen an den Schulen ist in den vergangenen sechs Jahren von 16 auf 26 Fälle gestiegen. In elf Fällen von körperlichen Auseinandersetzungen hatten die Kontrahenten Messer dabei, setzten sie aber nicht ein. 21 Fälle aber registrierte die Berliner Schulverwaltung im Schuljahr 2004/2005, bei denen die Opfer mit einem Messer attackiert oder auch verletzt wurden.
Justizsenatorin Schubert plädiert deshalb für gezielte Aktionen an Berliner Schulen. Die Schüler sollten freiwillig Messer abgeben oder gar nicht erst mit sich nehmen. „Es ist auch denkbar, das Waffengesetz noch einmal zu verschärfen“, sagte Schubert.
Unter das Waffengesetz fallen zum Beispiel Springmesser, Faltmesser mit schwenkbaren Griffen (Butterflymesser) und Messer mit Klingen von mehr als 8,5 Zentimetern. Bei der Verschärfung des Gesetzes denkt Schubert daran, den Waffenbesitz weiter einzuschränken, damit Kinder und Jugendliche zu Hause nicht freien Zugriff auf solche Messer haben.
Berlins Schulstaatssekretär Thomas Härtel, der zugleich Vorsitzender der Landeskommission gegen Gewalt ist, appelliert an die Eltern, sensibler mit dem Thema umzugehen, und an die Schulen, sich eine Schulordnung zu geben, in der das Tragen von Messern explizit verboten ist. Härtel fordert eine „Partnerschaft zwischen Schulen und Eltern“, um das Tragen der Waffen zu verbieten. „Für die Schulen wäre eine eigene, restriktive Hausordnung doch ein gutes Aushängeschild“, sagt Härtel.
Auch wenn das generelle Tragen von Messern an Schulen verboten werden würde, weiß Stefan Bonikowski, Präventionsbeauftragter der Direktion 5, dass „das Miteinanderreden unsere stärkste Waffe gegen Waffen ist“. Viele Jugendliche hätten es schlichtweg nicht gelernt, Konflikte verbal zu lösen. „Und das muss man ihnen Schritt für Schritt beibringen“, sagt er, „bevor man über schärfere Gesetze nachdenkt“.
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