Brandenburg: Justizminister rügt Qualität der Hartz-IV-Bescheide Schöneburg: Jobcenterpersonal nicht qualifiziert genug. Zweifel an Hilfspaket für Sozialgerichte
Potsdam - Nach wie vor werden Brandenburgs Sozialgerichte mit Hartz-IV-Klagen überschwemmt. Allein im vergangenen Jahr kamen 13 795 neue Verfahren an den vier Standorten des Landes in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam dazu.
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Potsdam - Nach wie vor werden Brandenburgs Sozialgerichte mit Hartz-IV-Klagen überschwemmt. Allein im vergangenen Jahr kamen 13 795 neue Verfahren an den vier Standorten des Landes in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam dazu. Insgesamt wuchs der Anteil der Hartz-IV-Klagen an der Summe aller Verfahren damit seit der Einführung des aktuellen Gesetzes im Jahr 2005 von knapp 22 Prozent auf mehr als zwei Drittel. Laut Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneberg (Linke) beträgt die Verfahrensdauer derzeit zwischen 14 und 16 Monaten. In Einzelfällen jedoch könnten es auch schon einmal bis zu vier Jahre sein. „Das trifft bis ins Mark. Immerhin geht es für die Kläger um existenzielle Fragen.“
Vier neue Richter und zwei weitere freiwillige Helfer aus anderen Gerichtsbarkeiten sollen nun den überlasteten Kollegen unter die Arme greifen. Angaben des Justizministeriums zufolge wurden bereits 2010 insgesamt 27 neue Richterstellen geschaffen. Damit beläuft sich die Zahl der Planstellen auf insgesamt 72. Die sogenannten abgeordneten Richter, die auf freiwilliger Basis helfen, werden nicht mitgezählt. Sie behalten ihre Planstellen in ihren Gerichtsbarkeiten.
Matthias Deller, Vorsitzender des brandenburgischen Richterbundes, findet die angekündigte zusätzliche Verstärkung bemerkenswert, stehe sie doch im Gegensatz zur eigentlichen Personalplanung der rot-roten Landesregierung. Nach der Vorstellung von Finanzminister Helmuth Markov (ebenfalls Linke) sollte die Justiz bis 2018 ursprünglich 900 Stellen einsparen. „Dem Vernehmen nach sollen es jetzt nur noch 700 sein “, berichtet Deller. Das sei immer noch ein deutlicher Einschnitt. „Und es ist noch nicht klar, wie die Einsparungen aufgeteilt werden sollen.“ Es sei aber zu vermuten, dass die Staatsanwaltschaften und die Gerichte den Löwenanteil schultern müssten. „Keine Gerichtsbarkeit im Land, und schon gar nicht die Sozialgerichte, vertragen einen weiteren Personalabbau“, warnt Deller.
Vier der Richter, die an den Sozialgerichten aushelfen, haben zuvor bereits in den Verwaltungsgerichten Feuer löschen müssen. Jahrelang galten sie als Sorgenkinder. Laut Justizminister Schöneburg aber habe sich die Lage entspannt. Saßen 2009 nach Angaben des Ministeriums die Verwaltungsrichter noch auf einem Berg von 2400 Altverfahren, seien es mittlerweile nur noch 345. Die Verfahrensdauer habe sich von bis zu drei Jahren auf derzeit rund 24 Monate reduziert. Auch Deller spricht von einem Erfolg: „Die Maßnahmen bei den Verwaltungsgerichten haben geholfen.“
Während die Präsidentin des Landessozialgerichts, Monika Paulat, überzeugt ist, dass die Personaloffensive auch den Sozialgerichten helfen wird, Altlasten abzubauen, bleibt Deller skeptisch. „Nach unserer Einschätzung reicht die Verstärkung lediglich aus, um die neuen Eingänge zügig zu bearbeiten. Die Abarbeitung von Altverfahren wird nochmal eine zusätzliche Anstrengung erfordern.“
Skeptisch, ob die erneute Aufstockung ausreicht, ist auch die Rechtsexpertin der FDP-Fraktion im Landtag, Linda Teuteberg, die erst Anfang Juli zur Personalausstattung an den Sozialgerichten eine Kleine Anfrage gestellt hatte. CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum spricht sogar von Placebo-Maßnahmen.
Doch statt immer mehr Richter zur Verfügung zu stellen, wollen Paulat und Schöneburg die Flut der Hartz-IV-Klagen eindämmen. Dass die Erfolgsquote bei diesen Verfahren bei 50 Prozent liegt, zeigt laut Schöneburg, dass die Bescheide in den Jobcentern nicht qualifiziert genug erstellt würden. Außerdem sei das Hartz-IV-Gesetz handwerklich problematisch. Das sieht auch Paulat so: „Die Mitarbeiter in den Jobcentern sind nicht ausreichend qualifiziert. Zudem haben viele nur befristete Verträge. Somit fehlt die Kontinuität.“
Unter Federführung des Sozialministeriums wird deshalb gerade eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die am 27. August ihre Arbeit aufnehmen soll. Neben den beiden betroffenen Ressorts nehmen auch Vertreter des Landessozialgerichts, der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Spitzenverbände teil. Ziel sei es, die die Qualität der Hartz-IV-Bescheide zu verbessern, heißt es aus dem Sozialministerium.
Bei der Arbeitsagentur will man die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. „Unsere Kollgegen sind beim Erstellen der Bescheide sehr erfahren, ziehen auch aktuelle Urteile zurate. Da sitzen keine Leute dran, die erst seit gestern bei uns sind“, wehrt sich Agentursprecher Olaf Möller. Vielmehr sei das Gesetz das Problem. Nicht nur sei es vergleichsweise jung, sondern habe auch schon viele Novellierungen erfahren. „Das macht die ohnehin komplizierte Materie nicht einfacher.“
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