zum Hauptinhalt

Brandenburg: Kampf gegen Windmühlen

Für Abgeordnete gilt eine Gesetzeslücke / Korruptionsermittler müssen reihenweise Akten schließen

Stand:

„Brandenburg ist nicht Rumänien“, es sei hier wohl noch nicht alltäglich, dass Landesbedienstete oder auch Beschäftigte der Wirtschaft geschmiert werden, um lukrative Geschäfte zu ermöglichen oder Verfahren zu beschleunigen, meint Oberstaatsanwalt Frank Winter, der die für solche Delikte zuständige Abteilung in Neuruppin leitet. Aber genau festlegen will er sich dabei auch nicht. Aus anderen Untersuchungen weiß er, dass in der Bundesrepublik fast die Hälfte der Unternehmer in der einen oder anderen Form schon mit Korruption konfrontiert waren und fast jeder siebte Betrieb schon mal direkt daran beteiligt war.

Winter sitzt am Dienstagabend in der Landeszentrale für Politische Bildung in Potsdam und spricht von einer hohen Dunkelziffer bei Korruptionsdelikten – schließlich wende sich weder der Bestechende noch der Bestochene an die Ermittlungsbehörden. Und komme eine Firma durch Vorteilsgewährung an einen Auftrag, so werde sie einen Teufel tun und den bestechenden Mitarbeiter zur Verantwortung ziehen. „Hauptsache der Auftrag ist da“, so Winter, die Mehrkosten für die gewährten Vorteile seien ohnehin schon in den Preis kalkuliert.

Der Korruptionsermittler redet davon, dass es nur noch zwei weitere Bundesländer gibt, die ähnlich stringente Ermittlungsstrukturen im Kampf gegen die Korruption aufgebaut hätten, wie Brandenburg. In der Mark, so Winter, gebe es seine Spezial-Staatsanwaltschaft in Neuruppin und die Gemeinsame Ermittlungsgruppe (GEG) Korruption von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt mit sechs Staatsanwälten und zwölf Sonderermittlern der Kripo – auch, wenn die vom Innenministerium groß angekündigten bis zu neun externen Experten wie etwa Betriebswirte und Bauingenieure noch immer nicht eingestellt sind.

Winter spricht an diesem Abend vor voll besetztem Saal auch davon, dass es wirklichkeitsfremd sei, dass deutsche Abgeordnete so gut wie nie wegen Bestechlichkeit belangt werden könnten. Denn strafrechtlich relevant ist die Vorteilsannahme bei Abgeordneten nur, wenn sie ihre Stimme für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten verkaufen – und dies auch noch nachweisbar ist. Bundesgerichte, Expertengremien und Ermittlungsbehörden hätten eine Änderung der Gesetzeslage für Parlamentarier schon lange gefordert. Passiert sei nichts.

Als der Referent Winter dies in seinem unterhaltsamen Vortrag erzählt, war dem Ermittler Winter längst das Lachen vergangen. Da wusste er schon, dass seine Behörde reihenweise Akten wird schließen, ihre Arbeit auf weitem Feld wird einstellen müssen.

Es geht um 15 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Genehmigung und Bau von Windkraftanlagen in Brandenburg Und es geht um unzählige Verfahren, die wohl nie eröffnet werden können, weil die Politik es nicht schafft, auch bei Parlamentariern und normalen Gemeindevertretern Bestechlichkeit unter Strafe zu stellen.

Grund für das große Neuruppiner Aktenschließen ist ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs. Der hat nun in einem anderen Fall eindeutig auf die Gesetzeslücke hingewiesen, wonach Gemeindevertreter und andere Abgeordnete anders behandelt werden als Amtsträger oder jeder Bedienstete im öffentlichen Dienst. Amtsträger und Beamte – ihnen ist jedwede Art der Vorteilsannahme und -gewährung unter Strafe verboten – werden vom Gesetz härter ran genommen als Abgeordnete, die fast alles dürfen außer eben ihre Stimme explizit für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu verhökern.

So kommt es nun, dass Korruptionsstaatsanwalt Winter am gestrigen Mittwoch, dem Tag nach seinem Vortrag in Potsdam, sagt, dass es höchst „unbefriedigend ist, dass da eine Strafbarkeitslücke bleibt“, dass Politiker ungestraft das machen dürften, wofür jeder normale Beamte verurteilt werden würde.

In die „Strafbarkeitslücke“ fallen 13 der ursprünglich 15 Windkraft-Verfahren der Neuruppiner Behörde.

Landesweit waren die Fahnder jahrelang Hinweisen nachgegangen, wonach Windkraftanlagenbauer ihre Stromgewinner oft ausgerechnet auf Grundstücken von Gemeindevertretern oder deren Verwandtschaft planten oder aber über Jahre hinweg großzügig so genannte Ausgleichszahlungen an Gemeinden überwiesen oder aber Kinderspielplätze und andere nützliche Dinge, die sich die klammen Kommunen zwischen Uckermark und Lausitz nicht leisten konnten, finanzierten. Im Gegenzug, so die Ermittler, hätten die Gemeindevertreter dann für die Genehmigungen gestimmt.

In zwei Fällen war die Korruption allerdings so eindeutig, dass die Verfahren weiterlaufen können. Zudem sind die bereits ergangenen Urteile bzw. die erlassenen Strafbefehle bereits rechtskräftig. So musste etwa ein ehemaliger Gemeindevertreter von Breydin/Trampe (Barnim) einen Strafbefehl akzeptieren. Bei ihm war es zu offensichtlich, dass er für die Windräder stimmte, weil die Planer auch auf sein Familieneigentum eines planten. Der in Baden-Württemberg und Neuseddin (Potsdam-Mittelmark) ansässige Windkraftanlagen-Produzent Enersys soll neben dem bereits bestraften Abgeordneten auch anderen Gemeindevertretern angeboten haben, den Park zum Teil auf ihren Grundstücken zu errichten. Dem Ortsbürgermeister soll das Unternehmen hunderte Bäume um sein Landhotel gepflanzt haben, damit der Ausblick nicht ganz so gestört ist – durch den Windpark für den der Orts- und Hotelchef war. Außerdem sollen der Gemeinde so genannte Ausgleichszahlungen von mehr als 10000 Euro je Windrad und Jahr angeboten worden sein, obwohl es dazu keine gesetzliche Verpflichtung gibt.

Im Juni 2005 hatten Ermittler Wohnungen und Büros in Neuseddin, Trampe, Breydin sowie in Bietigheim-Bissingen (Baden-Württemberg) durchsucht. Verfolgt hatten den Einsatz damals auch Beamte, die zum Erfahrungsaustausch in Neuruppin weilten: Korruptionsermittler aus Rumänien. Bei ihnen ist – zumindest theoretisch – jegliche Art von Abgeordnetenbestechung strafbar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })