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Brandenburg: Kein Grund zum Feiern

Landeschef Jörg Schönbohm hat Geburtstag – Parteifreunde bescheren ihm Streit und Intrigen

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Potsdam - „Was derzeit passiert, hinterlässt Spuren“, sagt Jörg Schönbohm. Der Innenminister ist keiner, der gute Laune vorspielt, der vorgaukelt, dass die christdemokratische Welt in Brandenburg noch eine heile ist. Für einen Moment habe er sogar daran gedacht, den privaten Empfang zu seinem 69. Geburtstag am heutigen Sonnabend in seinem Kleinmachnower Haus abzusagen, weiß ein Vertrauter. Die Feier findet nun doch statt – jetzt gerade. Aber der CDU-Landeschef, der 1999 das Berliner Senatorenamt aufgab, um die zerstrittene märkische Union zu einen und regierungsfähig zu machen, leidet.

Er leidet unter den Brüchen in seiner Partei, den Intrigen und Grabenkämpfen, die an allen Ecken plötzlich wieder aufbrechen und an dem Richtungsstreit, der die Union entzweit. Gerade ist etwas Unerhörtes geschehen: Die Mitglieder der CDU in Cottbus haben sich Donnerstagabend für eine formale Allianz mit der PDS bei der bevorstehenden Oberbürgermeisterwahl ausgesprochen. Einstimmig. Es wird nun demnächst eine gemeinsame Wahlkonferenz von CDU und PDS sowie anderen geben, um den Christdemokraten Holger Kelch als gemeinsamen Kandidaten zu nominieren – ein unerhörter Tabubruch.

Und das im Landesverband des Hardliners Jörg Schönbohm, der für eine konsequente Abgrenzung von den SED-Nachfolgern steht. Vergeblich hatte er einige Stunden vor der Mitgliederversammlung noch die Lausitzer Parteifreunde gemahnt, die Listenverbindung verstoße gegen das Grundsatzprogramm der CDU. Aber da wusste er eigentlich schon, dass es nichts nutzen würde, dass er die Stimmung in Cottbus nicht mehr drehen konnte. Früher wäre er hingefahren, hätte eine flammende Rede gehalten. Jetzt „missbilligt“ er das Verhalten der abtrünnigen Parteifreunde – über die Medien, in Potsdam.

„Die Lage ist nicht schön für die CDU“, sagt Jörg Schönbohm. Das klingt hilflos und ist ungewollt auch ein Eingeständnis, dass seine eigene Autorität in der Partei schwindet. Die Rede ist von einer „Chaostruppe“, von einem Parteichef, „den die eigene Basis verarscht“, der „nicht mehr führt“. Ganz unschuldig daran ist Schönbohm nicht. Er weiß, dass es viel zu früh war, als er im Herbst 2005 ankündigte, 2007 als Parteivorsitzender abzutreten. Schönbohm stand unter dem Eindruck der Niederlage bei der Bundestagswahl, er wollte die Wogen glätten. Tatsächlich löste er einen diffusen Richtungs- und Nachfolgekampf aus, der zu immer neuen Eruptionen führt.

Wenn Schönbohm heute über seine Partei spricht, fallen sarkastische, distanzierte und resignierte Untertöne auf – wie am Donnerstag, als er aus heiterem Himmel mit der Spitzel-Affäre in der Landeszentrale konfrontiert wurde: „Wahrscheinlich muss ich mich in der CDU auch noch um den E-Mail-Verkehr persönlich kümmern.“

Es sind ungeheuerliche Vorwürfe, die ihm die Geburtstagslaune endgültig verdorben haben: Sein Generalsekretär Sven Petke und Landesgeschäftsführer Rico Nelte sollen den E-Mail-Verkehr der CDU-Führungsriege heimlich überwacht haben, auch den von Schönbohm und der anderen Minister. Und da sind noch die Enthüllungen am Rande: Nelte wird in den Papieren des Kronzeugen mit den Worten zitiert: „Schönbohm? Ach der Alte peilt doch eh nichts mehr. Sven und ich können hier machen, was wir wollen.“

Sicher, einen Beweis für die Spitzeleien gibt es nicht, es bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen und Internet-Unternehmers, der bei der verschuldeten Union einige tausend Euro einzutreiben versucht. Doch es ist symptomatisch für den Zustand der CDU, dass fast alle Christdemokraten, die man fragt, den als durchtrieben und machtbesessen geltenden Petke die Spitzeleien zutrauen würden. So tief sitzt mittlerweile das Misstrauen.

Schönbohm ist das alles zutiefst zuwider. Er wollte eigentlich, nachdem er wichtige Reformen abgehakt hat und Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) wieder im Lande ist, etwas kürzer treten und auch die angenehmen Seiten des Lebens genießen. Jörg Schönbohm, der die Oper liebt, das gute Buch. Stattdessen ist die Krise der CDU voll über ihn hereingebrochen. Im kleinen Kreis gestand Schönbohm kürzlich: „Ich dachte, dass die CDU schon weiter ist.“ Wie es weitergeht? Jemand, der für die märkische Union am Kabinettstisch sitzt, macht aus seiner Ratlosigkeit keinen Hehl: „Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll.“

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