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Brandenburg: Kein Mord unter Freunden
Der eine verlangte energisch sein Geld zurück, der andere kann nicht zahlen, hat Angst um seine Familie und schießt. Nun muss er neun Jahre in Haft
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Frankfurt (Oder) - Er zog eine kleine Pistole aus seiner Tasche. Er zielte auf einen langjährigen Freund. Und er beschloss zu töten. Fünf Schüsse brachten den überraschten 48-Jährigen zu Fall. Der Schütze traf das am Boden liegende Opfer noch einmal in den Nacken, einmal in den Kopf. Der 55-Jährige Michael Bernd D. wollte im Mai vergangenen Jahres offensichtlich ganz sicher gehen, dass der andere, der ihn wegen Schulden so unter Druck gesetzt hatte, starb.
Dennoch ist diese Tat kein Mord, wie ursprünglich angeklagt, sondern Totschlag. Das urteilte das Landgericht Frankfurt (Oder). Der Angeklagte muss so auch nicht lebenslänglich, wie von der Nebenklage beantragt, sondern lediglich neun Jahre ins Gefängnis. Die in Betracht kommenden Mordmerkmale Habgier und Heimtücke hatten sich nach Ansicht des Gerichts nicht nachweisen lassen. Ähnlich hatte es die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer angeführt. Sowohl die Anklägerin, als auch das Gericht glaubten D., der bei der Polizei beharrlich geschwiegen und erst in der vergangenen Woche im Prozess ausgesagt hatte.
Verhöhnt, beleidigt, provoziert und geohrfeigt habe ihn sein früherer guter Freund bei jener wohl eher zufälligen Begegnung auf dem Feldweg nahe Ahrensfelde (Barnim). Dort hatten beide mit ihren Familien Häuser gebaut. Als er von seinem Gegenüber immer wieder zu hören bekam, er sei ein Weichei, habe er die Pistole aus seiner Bauchtasche gezogen. Die hatte der Angeklagte eigenen Angaben zufolge bereits seit Tagen stets dabei, weil er fürchtete, dass sein ehemaliger Freund gewaltsame Schuldeneintreiber zu ihm schicken würde. Diese Angst war offensichtlich nicht unbegründet.
Der Schütze und sein Opfer kannten sich aus den 90er-Jahren, als beide in der Rotlichtszene Berlins ihre Geschäfte machten. Damals entstand die Freundschaft zwischen den beiden unterschiedlichen Typen – das spätere Opfer erfolgsverwöhnt, selbstbewusst und ein Lebemann, der Angeklagte eher unsicher, glücklos in Geschäften und weniger versiert in seinem Auftreten.
Dennoch hielt die Freundschaft, auch nachdem sie aus der Szene ausgestiegen waren. Man fuhr gemeinsam in den Urlaub, feierte mit den Familien zusammen. Das Opfer gründete mehrere gut laufende Firmen in der Baubranche und hatte immer noch gute Kontakte in der Rotlichtszene. Sein alter Freund versuchte sich erfolglos an Sonderpostenmärkten und stürzte sich immer mehr in Schulden.
Das spätere Opfer, das genügend Geld verdiente, half ihm immer wieder da raus, doch die Freundschaft schwand, je erfolgreicher der eine und glückloser der andere wurde. Die nun fällige Rückzahlung hätte der Angeklagte, bei dem sich laut den Ermittlern ungeöffnete Rechnungen und Mahnungen im Haus stapelten, auf keinen Fall zurückzahlen können.
Laut den Schilderungen des Angeklagten hatte sein alter Freund letztlich nur noch Verachtung für ihn übrig und drohte, sich das geliehene Geld notfalls bei dessen Familie zu holen. Der Angeklagte fürchtete um seine junge Frau sowie die beiden kleinen Kinder und schoss.
Mit seinem Urteil folgte das Gericht im Wesentlichen den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Auch die Verteidigung des 55-Jährigen hatte auf Totschlag plädiert, allerdings einen minder schweren Fall angenommen und eine mildere Strafe erwartet. Laut Urteil muss der hoch verschuldete 55-Jährige rund 7000 Euro Schmerzensgeld an die Schwester seines Opfers zahlen. Regelrecht hingerichtet habe der Angeklagte ihren Bruder, sagte die sichtlich erregte Nebenklägerin kurz vor der Urteilsverkündung im Gericht. Jeanette Bederke
Jeanette Bederke
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